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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Formulierung? Lukastik hatte doch gerade erfahren, was es bedeutete, wenn Menschen sich leidenschaftlich begegneten, herumstritten, nach Messern griffen, an den Kindern zogen wie an Seilen, die Ehe benutzten, um eine deformierte Psyche voll auszuleben. Die Liebe war eine Granate, die immer nur gezündet wurde, wenn jemand anderer nahe genug stand, um ihn auch sicher in den Tod mitzureißen.
    Gerade im Falle Olanders war es darum mehr als ein gutes Zeichen, daß er wenig Anstalten zu machen schien, Marlies Herstal in einem anderen Kontext zu erleben, als dem des gemeinsamen Alkoholkonsums. Man sah, wie die beiden ihre Gläser zärtlich aneinanderrieben. Zärtlich, jawohl.
    »Tut mir leid, daß ich störe«, sagte Lukastik, »aber ich muß Herrn Olander unter vier Augen sprechen.«
    Sofort wollte Marlies Herstal sich aufregen, aber dann erkannte sie, daß Lukastik seine Entschuldigung ernst meinte. Und so geschah es zum ersten Mal, daß sie ihn freundlich anblickte, aus Augen, deren Rosa jetzt wie kleine, sehr hübsch gefaltete Servietten die Pupillen schmückte. Herstal erhob sich und marschierte im Stelzschritt leichten Betrunkenseins hinüber an die Theke, wo sie zwischen zwei hocherfreuten Rentnern Platz nahm und eine Pause vom Pernod nahm, wenn auch nicht vom Alkohol.
    Natürlich, es heißt Zoologen trinken nicht. Aber es heißt auch, wir leben in der besten aller möglichen Welten. Aha!
    Lukastik setzte sich, zog eine seiner Hin-und-wieder-Zigaretten aus einer verdrückten Packung und fragte, sich an Olander wendend: »Wissen Sie, wofür ich bei meinen Kollegen gefürchtet bin?«
    »Ich höre.«
    »Daß ich die Verdächtigen, gegen die ich ermittle, immer gerne auf dem neuesten Stand meiner Ermittlungen halte.«
    »Sie haben sicher gute Erfahrungen damit.«
    »Natürlich. Denn ich sage mir, daß wenn ich jemand schlußendlich sowieso überführe, es doch besser ist, ihm zu zeigen, was ich schon alles weiß. Also, wie nahe ich an ihm dran bin.«
    »So aber warnen Sie Ihre Gegner«, meinte Lukastik.
    »Warum sollte ich nicht offenbaren, welche Zahl ich gewürfelt habe, wenn ich jemand anders mit dieser Zahl aus dem Spiel werfen kann? Ich gebe ihm nur die Möglichkeit, seine Figur selbst herauszunehmen. Das ist würdevoller. Und juristisch gesehen meistens von Vorteil.«
    »Sie wollen, daß ich mich stelle?«
    Anstatt darauf zu reagieren, erzählte Lukastik von seiner Reise nach Mailand und daß er Olanders Exfrau gesprochen habe. »Ich weiß jetzt, daß Ihre Frau, als sie noch nicht Ihre Frau war, ein Kind zur Adoption freigab.«
    » Unser Kind«, betonte Olander. Sein Blick verhärtete sich wie feiner Sand, auf den ein Tropfen Meerwasser fällt.
    »Sie sind nicht der Vater dieses Kindes, soweit ich weiß.«
    »Darauf kommt es nicht an. Yasmina und ich waren verheiratet. Ein Stiefvater ist auch ein Vater.«
    »Ein Adoptivvater aber ebenfalls.«
    Olander zeigte einen verbissenen Ausdruck und erklärte: »Yasmina hätte Clara gar nicht erst hergeben dürfen. Egal, wie schlecht die Umstände damals waren. Aber wenigstens hätte sie die Sache wieder in Ordnung bringen müssen.«
    »Man kann so etwas nicht einfach rückgängig machen«, ließ sich Lukastik schweren Herzens auf die Thematik ein. »Ihre Frau hat eine Vereinbarung unterschrieben. Außerdem scheint sie bis heute nicht das geringste Bedürfnis zu haben, daran etwas zu ändern. Vernünftigerweise, wie ich sagen muß.«
    »Sagen Sie also. Als hätten Sie irgendeine verdammte Ahnung.«
    »Ich…«
    »Hören Sie, Sie Superpolizist, Sie werden jetzt sicher gleich ganz glücklich sein, eine Psychoschiene bedienen zu können – macht nichts, ich erzähl’s Ihnen trotzdem. Claras Schicksal gleicht nämlich meinem eigenen. Auch ich wurde adoptiert. Meine richtige Mutter hatte offenkundig keine Lust, einen Balg durchs Leben zu schleppen. Siebzehnjährige sind so, sie gebären ein gesundes Kind, als wär’s ein Abort. Man schaut nicht mal hin. Hernach eine Unterschrift und dann ab in die Disko. Aber wie gesagt, Siebzehnjährige sitzen noch in der Sandkiste des Lebens und träumen davon, ein Engel für Charly zu sein oder über Laufstege zu stolzieren. Da kann man einen quengelnden Hosenscheißer nicht gebrauchen. Aber man bleibt ja nicht ewig siebzehn, und ich finde nun mal, daß Mutter und Kind eine Einheit bilden. Daß sie zusammengehören. Ich sage es so: besser später, als gar nicht. In meinem Fall aber hat das bedeutet: gar nicht. Als ich meine Mutter endlich

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