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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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definitiv der letzte Tag, an dem das U-Boot zur Verfügung stand. Es war die letzte Chance für einen Hinweis auf Viktoria.
    »Entschuldigen Sie, Inspektor.« Ein Mann kam auf Lukastik zu. Es war einer der Mitarbeiter von der Spurensicherung. Mit Abstand der Kompetenteste und Engagierteste. Lukastik hatte ihm am Abend zuvor die kleine Affenfigur in die Hand gedrückt und ihn darum gebeten, sich das Ding genau anzusehen.
    Nun, der Mann hatte sich das Ding genau angesehen. Er sagte: »Plastik ist das nicht.«
    »Herrje! Und was ist es dann?«
    »Ich möchte vorsichtig sein mit meinen Äußerungen.«
    »Bei mir müssen Sie nicht vorsichtig sein«, erklärte Lukastik.
    »Die Bemalung gibt der Figur einen kunststoffartigen Eindruck. Auch das relativ geringe Gewicht täuscht einen. Aber ich würde sagen, es handelt sich hier um einen Knochen. Ich schätze, es ist ein tierischer Knochen, um jetzt nicht gleich das Schlimmste anzunehmen. Ein Rinderknochen. Ein Artefakt, so wie die frühen Menschen es herzustellen pflegten. Natürlich ist das hier raffinierter. Richtiggehend Trompe-l’Œil. Eigentlich kennt man das eher umgekehrt. Kunststoffe, die sich für etwas anderes ausgeben. Hier aber haben wir Plastik, das keines ist. Ich denke…«
    »Was denken Sie?«
    »Darf ich spekulieren?«
    »Ich bitte darum.«
    »Ich denke, daß wir es hier mit einer Art von Grabbeigabe zu tun haben. Einer modernen Grabbeigabe, versteht sich. Ein Affe, der eine Menschenmaske trägt. Ich habe heute früh jemand kontaktiert, der sich auskennt. Er hat mir erzählt, daß diese Figuren aus den Überraschungseiern – die für Kinder ebenso wie die für die Erwachsenen – immer häufiger als moderne Grabbeigaben verwendet werden. Es ist ein ganz neues Phänomen. Beziehungsweise die Wiederbelebung eines recht alten.«
    »Reden wir jetzt von Figuren aus Plastik oder aus Knochen?«
    »Ich spreche von den Plastikdingern. Wer will sich auch einen Knochen in einem Überraschungsei vorstellen?«
    »Ich hätte wirklich geschworen, es sei aus Kunststoff.«
    »Wie ich sagte, eine äußerst geschickte Arbeit. Ich werde natürlich noch präzisere Analysen vornehmen müssen, bevor ich ein abschließendes Urteil geben kann.« Der Mann drehte sich hinüber zu dem U-Boot und fragte: »Wollen Sie da wirklich hineinsteigen? Ich dachte eigentlich, Sie mögen Wasser nicht.«
    Er spielte auf eine Geschichte an, die Jahre zuvor geschehen war und in welcher es Lukastik mit einem ganzen Schwarm Haie zu tun bekommen hatte. Er war dabei nur knapp dem Tod entgangen. Allerdings eher dem Tod durch Ertrinken als dem durch Haie. Jedenfalls hieß es seither, Lukastik halte wenig von Wasser.
    Nun, er war auch vorher schon keine Wasserratte gewesen. Aber als die Polizistenmaschine, die er war, gab es für ihn keine Ausreden. Er sagte, wie um vom Wasser abzulenken: »Ich mag enge Räume.«
    »Ach so dann«, meinte der Mann von der Spurensicherung, lächelte milde und versprach, noch heute nach Wien zu fahren, um die Figur mit allen technischen Möglichkeiten einer Prüfung zu unterziehen. »Und wenn Sie die Seeschlange sehen, könnten Sie mir bitte ein Foto für meine Kinder machen?«
    »Gerne«, sagte Lukastik, als meinte er das ernst. In Wirklichkeit war es so, daß er ja nicht nur ein Telefonhasser, sondern auch ein Fotoapparathasser war. Kein Technikfeind an sich, das nicht. Es deprimierte ihn bloß, was die Technik aus den Leuten machte. Wie tief sie die Menschen sinken ließ. Unter dem Einfluß der Technik war der Homo sapiens zum primitivsten Wesen geworden, das je existiert hatte. Und es war sicher nicht so, daß Lukastik dies vergaß, als er jetzt in ein hochmodernes, aus weiß der Teufel was für Titanlegierungen und Superacrylglas bestehendes U-Boot hineinstieg.
    Viel Glück, Richard Lukastik!

15
    »Ist das wirklich für vier Leute gedacht?« fragte der Chefinspektor.
    Marlies antwortete: »Sie haben jetzt die letzte Gelegenheit auszusteigen.«
    »Schon gut«, sagte Lukastik mit einem Lächeln, als verbiege er mit den Lippen einen Kaffeelöffel.
    Das Geräusch der sich automatisch schließenden Einstiegsluke ging über in das Piepsen jenes Geräts, mit dem die Schallortung vorgenommen wurde. Und was da sonst noch so piepste. Das Piepsen beruhigte. Es kündete vom Funktionieren der Apparate. Das Boot glitt über eine Schiene ins Wasser, wo drei Taucher es empfingen und wie einen jungen Wal sachte hinaus ins »offene Meer« geleiteten.
    Die vier Personen saßen in einer

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