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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sich, die Frau mit dem grellen Haar und dem ständig gleichen dunkelblauen Arbeitskittel ab und zu im Hotel gesehen zu haben. Nie von vorne, selten von der Seite, meistens von hinten. Putzfrauen sieht man fast immer nur von hinten. Das ist so normal, daß keiner auf die Idee kommt, es könnte mit Absicht geschehen. Jedenfalls hatte sich Olander nichts dabei gedacht. Er hatte überhaupt nichts gedacht. Er hatte diese Person schlichtweg ignoriert, bloß das künstliche Weiß ihres Haars registrierend. Wie man an einem vorbeifahrenden Wagen allein seine knallige Farbe wahrnimmt, aber nicht sagen könnte, welche Marke das gewesen war. Oder wie man über eine Werbung lacht, ohne nachher zu wissen, wofür da eigentlich geworben wurde.
    Ja, diese Frau hatte sein Zimmer geputzt, Tag für Tag seine Bettdecke glattgestrichen, das Fenster geöffnet, den Aschenbecher geleert, die Haare aus der Duschtasse gezogen, zuletzt auch jene mysteriösen, aber nicht weltbewegenden Wasserpfützen aufgewischt. Und er, Olander, hatte sich nicht die Mühe gemacht, auch nur einmal in ihr Gesicht zu schauen. Er war dumm genug gewesen, sich nicht vorstellen zu können, daß jemand wie Irene Kasos, eine Professorengattin, eine Papst-Privataudienzlerin, sich für einen solchen Job hergeben könnte. Daß jemand, der früher die anderen hatte putzen lassen, nun selbst putzte.
    »Das Mädchen neben der Frau…«, begann Lukastik.
    »Es muß Clara sein, bestimmt«, sagte Olander. »Sie müssen sofort Ihre Kollegen benachrichtigen.«
    Lukastik dachte an sein Handy. Er schmunzelte.
    »Warum lachen Sie?« fragte Olander.
    »Nur so«, wich Lukastik aus. Natürlich wäre es möglich gewesen, einen Funkspruch durchzugeben. Oder die anderen um ein Handy zu bitten. Noch war man nicht sehr tief. Aber er entschied sich dagegen. Er sagte: »Alles zu seiner Zeit. Außerdem kann ich die Frau nicht einfach verhaften lassen. – Jetzt schauen wir uns erst einmal den See an. Ich glaube nicht, daß Irene Kasos uns davonläuft. Warum auch, wenn sie es bisher nicht getan hat? Wir werden nichts überstürzen.«
    »Ihre Entscheidung«, sagte Olander bitter.
    Marlies Herstal zischte: »Könnten die beiden Herren jetzt endlich ruhig sein.«
    Die beiden Herren verstummten. Solcherart zur Ruhe gekommen, fiel ihnen wieder ein, wie eng es hier drinnen war. Und wie dunkel und leer draußen. Die Einheimischen hatten schon recht, wenn sie meinten, in diesem See würde sich das Weltall spiegeln. Doch wie bei jedem Nichts braucht es ein Etwas, damit man die Leere überhaupt als solche empfinden kann. Durch den Lichtstrahl der Scheinwerfer bewegte sich ein verloren anmutender Schwarm kleiner Fische. Es ging ganz rasch, zwei, drei Sekunden nur, dann waren die Tiere verschwunden. Ja, so wenig das Weltall vollkommen tot ist, so wenig war es dieser schwarze, tiefe, so lange Zeit für unbewohnt gehaltene See.
    Das Boot sank und sank. Lukastik kam sich vor wie bei einer Hypnose, wenn man rückwärts zählen und sich dazu abwärts führende Stufen vorstellen mußte. Sie sind müde, sehr müde … Ja, er war müde, sehr müde, keine Frage.
    »Hier«, sagte Marlies Herstal und zeigte in Richtung der beiden Scheinwerferstrahlen. Man hatte den Boden des Sees erreicht. Eine helle, beinahe weiße Ebene, auf der in regelmäßigen Abständen verschieden große Felsbrocken sich aus dem leicht gewellten Sand erhoben. Der Anblick erinnerte an einen kunstvoll arrangierten japanischen Garten. Nach der Hypnose also die Meditation.
    »Wo sind die vielen Tiere, von denen Sie gesprochen haben?« fragte Lukastik.
    »Die meisten sind so klein, daß man sie nicht gleich sieht.«
    »Wir suchen aber ein ziemlich großes Tier«, erinnerte Lukastik.
    »Ja, wir werden es sicher nicht übersehen, wenn es da ist.«
    Der Pilot erklärte, er glaube die Stelle erreicht zu haben, wo das Skelett gelegen hatte. Er steuerte das U-Boot langsam um die eigene Achse und leuchtete solcherart den gesamten Bereich aus. Aber auf den ersten Blick war nichts zu erkennen, was auf den Leichenfund hingewiesen hätte. Keine Spuren, nichts, was nicht hierher gepaßt hätte. Alles wirkte so überaus sauber und geordnet. Dunkelgraue Steine und hellgrauer Sand. Und es schien also gar nicht verwunderlich, daß auch das Skelett der Andrea Pero in einem vollkommen sauberen und geordneten Zustand entdeckt worden war.
    »Da ist etwas!« Lukastik zeigte auf ein Ding, von dem nur eine winzige Spitze, gewissermaßen ein Fingernagel, aus dem Sand

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