Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz
es sich anbietet, den Betreffenden übers Ohr zu hauen. Wenn er sich hauen läßt.«
»Und? Ließ er sich hauen?«
»Ich habe heimlich Kontakt zu seiner Frau aufgenommen. Sie wollte zuerst nicht. Sie hatte Angst vor ihrem Mann, echte, pure Angst. Aber ich war lästig. Irgendwann hat es geklappt, und wir haben uns getroffen. Aber ohne Chiara. Ich…«
Olander zögerte.
»Was ist?«
»Hetzen Sie ihn nicht so«, mischte sich die Zoologin ein. Dabei tropfte sie ein wenig Rum in ihren Kaffee.
Olander erklärte, sich in Irene Kasos verliebt zu haben. Und sie in ihn. Wobei diese Liebe wohl von beiden Seiten Ausdruck einer Verzweiflung gewesen war. (Es mag banal klingen, und dennoch ist es wichtig, dies festzuhalten: Liebe ist eine Reaktion darauf, ohne Liebe zu sein. Sie entsteht aus einem Mangel. Der Mangel ist das berühmte Hormon, von dem alle reden.)
»Sie wollte unbedingt weg von ihrem Mann«, sagte Olander. »Aber auf eine korrekte Weise. Ich habe ihr klargemacht, daß es eine korrekte Weise nicht geben wird. Daß wir ohne Tricks, ohne Betrug nicht auskommen werden. – Sie hat das eingesehen und zugestimmt.«
Es war klar gewesen, daß die Chancen, in welcher Form man auch immer Professor Kasos hinters Licht führen wollte, in Mailand besser sein würden als in Mandello del Lario, wo Kasos eine umfassende Hausmacht besaß.
»Irene hat mir von Andrea Pero erzählt«, berichtete Olander. »Das Kindermädchen, wenn man in Mailand war. Übrigens wußte Irene, daß ihr Mann mit Andrea schlief. Sie wußte aber auch, daß Andrea keine dumme Nuß war. Ich habe Kontakt zu Andrea Pero aufgenommen. Sie war sofort Feuer und Flamme. Daß sie mit dem Professor schlief, hieß nicht, daß sie ihn mochte. Ganz im Gegenteil, sie haßte diesen Mann. Jedenfalls war es nicht schwer, sie auf unsere Seite zu ziehen. Und dann haben wir diesen Plan ausgeheckt. Die kleine Chiara war ja unter ständiger Kontrolle des Professors oder einer seiner Leute.«
»Was für Leute?«
»Keine Ahnung. Vielleicht Studenten, die er bezahlte. Kasos hatte eine heillose Angst, seine Frau könnte mit dem Kind davonlaufen.«
»Die Angst war wohl berechtigt«, meinte Lukastik.
Olander zwinkerte, als bemühe er sich, mit seinem Augenlid einen vorbeifliegenden Liliputaner zu zerdrücken. Dann erwiderte er: »Ich würde eher sagen, zuerst war die Angst und dann die Berechtigung. Jedenfalls haben wir uns diese Angst zu eigen gemacht. Wir haben genau das getan, wovor sich Kasos so fürchtete. Wir haben eine neue Existenz geplant, eine Existenz für uns drei und das Kind. Na, das glaubte ich wenigstens. Schöner Irrtum! Die beiden Frauen dachten sich die Sache ohne mich. Ich war bloß der Ideengeber. Ich habe ein Boot gebaut, auf dem ich dann nicht mitfahren durfte. Wobei ich lange überzeugt war, Andrea Pero sei die treibende Kraft gewesen. Der lenkende Geist.«
»Aber sie blieb doch noch ein ganzes Jahr in Mailand.«
»Das ist richtig. Aber ich hielt das für ein Manöver. Dieses Leben in der Bronx, bei dieser unglaublichen Mutter, dieser reizenden Familie.«
»Sie haben sie öfters dort aufgesucht, nicht wahr?«
»Ja, immer wieder. Zuerst habe ich ihr gedroht, auch da-mit, Kasos zu erzählen, wo er sie finden könne. Doch sie wußte, daß ich das nicht tun würde. Schließlich habe ich sie angefleht, mir zu sagen, wo Irene und Clara sind. Das eine hat so wenig genutzt wie das andere. Und jetzt, wo man Andreas Leiche im See gefunden hat, ist mir klar geworden, wie sehr ich Andrea überschätzt und Irene unterschätzt habe. Irene kam mir damals so schwach vor, alles andere als kaltblütig.«
»Ich habe ein Foto von ihr«, sagte Lukastik. »Da ist sie zusammen mit dem Papst. Privataudienz. Ich finde, sie sieht darauf aus, als wäre Kaltblütigkeit durchaus eine ihrer Gaben. Ich rede nicht von einer Kampfmaschine, eher von einer Giftmischerin.«
»Ja, da könnten Sie recht haben. Wer sonst auch könnte es gewesen sein, der Andrea umgebracht und in den See geworfen hat?«
»Aber aus welchem Grund?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht haben sich die Frauen zerstritten. Vielleicht wollte Andrea zurück zum Professor. Vielleicht wollte sie ihm verraten, wo sich sein Kind befindet. Vielleicht wollte Sie mir verraten, wo das Kind ist«, zählte Olander auf und erinnerte daran, daß Andrea Pero ja etwa zu der Zeit starb, als er, Olander, nach Hiltroff gekommen war.
»Und Sie haben den Tip, nach Hiltroff zu gehen, wirklich von diesem Mann, der in dem anderen
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