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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Aber als sie dann wirklich kam, kam sie nur noch, um hier zu sterben. Über ihre Krankheit möchte ich nicht reden, das geht niemanden etwas an. Sie hätte dort unten, am Grund des Sees, ihre ewige Ruhe finden können. Aber dann muß diese verdammte Seeschlange auftauchen. Wie grotesk! Ein Bubenstreich. Und was machen die unseligen Deutschen? Rücken gleich mit einem U-Boot an. Ich habe noch gehofft, die Sache würde einschlafen, die Polizei würde einschlafen, alles würde im Schlaf versinken und seinen alten Lauf nehmen. Aber das hat es nicht.
    Jetzt haben die von Colanino sogar einen Mann geschickt. So eine Art Killer. Er hat auf Vinzent geschossen, ihn aber verfehlt. Oder wollte er den Polizisten treffen? Wollte er überhaupt jemanden treffen oder einfach nur Angst schüren? Ich weiß nicht. Ich weiß bloß, daß es jetzt nur noch schlimmer werden kann.
    Ich werde noch ein letztes Mal mit Chiara zum See gehen. Wir lieben diesen See, so wie Giorgio Straub ihn geliebt hat. Einmal noch zum See und dann weg. Weg von Hiltroff. Das ist schade. Denn es waren die besten Jahre meines Lebens.
    Laßt mich in Frieden!
    Dora Kolarov
    »So kann man sich irren«, meinte Lukastik, faltete das Papier in der vorgegebenen Form und steckte es ein.
    Man konnte davon ausgehen, daß Irene Kasos…nein, Lukastik wollte ihr den Gefallen tun und sie von nun an nur noch Dora Kolarov nennen, daß Dora Kolarov also diesen Brief irgendwo im Zimmer zurückgelassen hatte und daß der Italiener, der »Colanino-Mann«, ihn gefunden und eingesteckt hatte. Sein Job wäre es wohl gewesen, wie man so sagt, sauberzumachen. Statt dessen war er selbst es, der jetzt Dreck verursachte. Mit seinem Blut den Badezimmerboden verunreinigte, während ausgerechnet jene Frau, die während der letzten Jahre in Hiltroff blitzblanke Böden garantiert hatte, verschwunden war.
    Natürlich hätte Lukastik sofort eine Fahndung nach Dora und dem Kind veranlassen können. Und sei’s nur, um gewisse Gegensätze zu klären und die genauen Umstände des »natürlichen Todes« von Andrea Pero zu ermitteln. Aber es widerstrebte ihm. Wie gesagt, er war ein selbstherrlicher Polizist, selbstherrlich genug, jene laufen zu lassen, die er gerne auf freiem Fuß sah.
    Olander, der nun endlich das meiste begriffen hatte, stand da wie nach dem Beschuß durch unsichtbare Teilchen, unzählige winzige Ohrfeigen. Aus der Ferne vernahm man die Sirenen der anrückenden Rettungs- und Polizeiwagen. – O ja, dieses Hiltroff! Ein Kaff. Aber was für ein Kaff! Wenn man bedachte, daß ein Killer hier am Boden lag, während ein Stockwerk tiefer die Weltelite der theoretischen Physik über verborgene Universen diskutierte und hinter dem nächsten Hügel sich ein wunderbar schwarzer See erstreckte, der in seinen Tiefen über eine vier Milliarden alte, erstarrte Ursuppe verfügte. Was für eine Konzentration! Zukunft (Universen), Vergangenheit (Ursuppe) und Gegenwart (Killer).
    »Net so schlimm«, meinte der Arzt, nachdem er den Verletzten untersucht hatte. Welcher weiterhin schwieg und dies wahrscheinlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag tun würde.
    Soeben war der Bürgermeister im blauen Zimmer erschienen. Der Lärm der Einsatzkräfte hatte ihn aus dem Physikerkongreß gescheucht. Man sah ihm an, wie verärgert er war. Sich mit lauter Stimme an Lukastik wendend, wollte er wissen, ob es denn nicht möglich gewesen wäre…
    »Was denn?« unterbrach ihn Lukastik. »Später schießen? Den Mann entkommen lassen, damit niemand von Ihren Gästen gestört wird?«
    »So habe ich das nicht gesagt«, erklärte der Bürgermeister, kein Bauer, auch kein Bäcker, nicht einmal ein Jäger. Ein Bürokrat auf dem Lande. Ein bißchen dicklich und ein bißchen steif. Auch ein bißchen durchtrieben. »Was ist überhaupt geschehen?«
    Lukastik unterließ es, den Bürgermeister aufzuklären, sondern stellte seinerseits eine Frage. Was es eigentlich mit der Kunststoffabrik auf sich habe.
    »Ich verstehe Sie nicht. Dort wird gearbeitet. Nichts sonst.« Der Volksvertreter blähte sich etwas auf. Wohl um zu vertuschen, daß er gerade geschrumpft war.
    »Wissen Sie was?« entgegnete Lukastik. »Ich habe es mir gerade anders überlegt. Ich frage Sie nicht, was es damit auf sich hat. Ich finde es selbst heraus.«
    Er ließ den Bürgermeister einfach stehen, gab Olander ein Zeichen. Sie verließen das Gebäude. Der Bürgermeister rief etwas hinterher. Lukastik verstand es nicht und wollte es auch nicht verstehen. Es war jetzt an

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