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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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einer umgebracht. Einmal genügt. Die Wiederholung ist der Tod des Originals.«
    »Sie können mir nicht verbieten…« Dr. Pichler sprach im Ton eines wütenden, verzweifelten Kindes, das mit den Tränen kämpft.
    »Ich kann durchaus«, erklärte Lukastik, drehte sich zu Olander und wies ihn an, die Türe hinter sich zu schließen. Dann tat er die vier Schritte, die nötig waren, den Bürotisch zu erreichen, beugte sich vor, nahm die Waffe aber nicht weg, sondern schob sie nur so weit zur Seite, daß Dr. Pichler sie von seinem Sitz aus nicht mehr erreichen konnte.
    Das war recht nobel von Lukastik, Dr. Pichler nicht dermaßen zu erniedrigen, ihm seine Waffe zu konfiszieren, eine Waffe, für die es ja ganz sicher eine Legitimation gab. Nein, Lukastik deutete bloß an, daß Selbstmord zwar eine Lösung darstellte, aber nicht hier und jetzt. Nicht solange er in diesem Raum war und seine Ermittlungen betrieb.
    »Also, wie ist das?« fragte Lukastik und nahm Dr. Pichler gegenüber Platz. »Die ganze Geschichte bitte.«
    Pichler zögerte. Noch einmal sah er sehnsuchtsvoll zu seiner Waffe hinüber. Dann begann er zu erzählen: »Es ging uns ziemlich schlecht, damals, Ende der Achtzigerjahre. Wir mußten zusperren, waren nicht konkurrenzfähig. Und dann kam dieses Angebot aus Mailand, von der Gruppo Colanino , wie aus heiterem Himmel. Ich habe keine Ahnung, wie die auf uns gestoßen sind. Jedenfalls standen sie plötzlich in der Tür und boten uns an, die Fabrik zu sanieren und sie erweitern zu lassen. Außen renovieren, innen modernisieren. Zusätzlich ein Büroanbau und ein erstklassiges Labor. Dabei wollten die Italiener keinesfalls als Eigentümer oder Investoren auftreten, sondern bloß als spätere Auftraggeber. Sie wissen ja, die Figuren für die Überraschungseier. Natürlich war uns klar, daß da irgendein Haken sein mußte. Andererseits läuft nichts in der Wirtschaft ohne Haken ab. Die Haken gehören dazu. Weil es ja sonst keine richtige Angel wäre. Man hofft halt immer, daß der Haken nicht zu groß sein wird und einem nicht das ganze Maul aufreißt, wenn es dann soweit ist.«
    »Aber der Haken war wohl etwas größer als erwartet.«
    »Er war vor allem anders als erwartet. Zunächst aber lief alles wunderbar. Wir bekamen über Umwege und Schleichwege die Finanzierungsmittel, erhielten die Baupläne, die Listen der neuen Maschinen, wurden lasterweise mit Laborausstattung beliefert, konnten aber gleichzeitig für die meisten Arbeiten Handwerker und Baufirmen aus Hiltroff beschäftigen. Das hebt die Stimmung, das hebt das Niveau eines Ortes. Hin und wieder besuchte uns ein Anwalt aus Wien und sah nach dem Rechten. Dann war die Fabrik fertig, wir stellten Leute ein und begannen zu produzieren, Plastikfiguren, Spritzpistolen, Bobby-Cars, alle möglichen Arten von Gehäusen. Es war wie im Märchen – arbeiten und Geld verdienen. Das Labor hingegen stand eine Weile leer herum. Wir ahnten schon, daß das Labor der heikle Punkt sein würde. Dann erreichte uns die Anweisung aus Mailand, eine bestimmte Gruppe von Leuten einzustellen. Diese Leute kamen und führten sich auf, als hätten wir ihnen nichts zu sagen. Nun, wir hatten ihnen ja auch nichts zu sagen. Sie haben sich im Labor eingesperrt und herumexperimentiert. Damit wir uns verstehen, Herr Chefinspektor, da wurden keine Mafialeichen in Säurebädern aufgelöst, sondern Wissenschaft betrieben, die Entwicklung neuer Kunststoffe, vor allem konjugierte Polymere, die man als organische Halbleiter in Bildschirmen verwendet. Fast zehn Jahre funktionierte das alles hervorragend. Wir hatten auch immer wieder Gastarbeiter aus Italien. Ich denke, einige von ihnen haben als Kuriere gearbeitet. Doch wir selbst haben davon wenig mitbekommen.«
    »Wollten Sie denn etwas mitbekommen?«
    »Nein, natürlich nicht«, gestand Dr. Pichler. Er zündete sich eine Zigarette an. Er wirkte jetzt ruhiger als noch kurz zuvor. Er war wohl einer von denen, die erst beim Reden zu atmen beginnen, aber eben nur beim Reden, sodaß jedes Schweigen, praktisch jedes Alleinsein, zu einer Atemnot, einer Beklemmung führt.
    Pichler erzählte, wie sich vor einigen Jahren etwas zusammengebraut hatte. Offensichtlich war man im Labor auf eine bedeutende Sache gestoßen. Der Anwalt aus Wien kam jetzt immer öfter. Ein Teil der Produktion mußte auf Anweisung aus Mailand umgestellt werden. Neue Maschinen wurden angeliefert, auch neue Arbeiter.
    »Ich wußte ja gar nicht, was genau da eigentlich

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