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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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er:
    »Ehe ich hierher kam, trank ich ein paar Becher Wein mit diesem jungen Versemacher Kia Yu-po, Euer Gnaden. Krabbe und Krebs hatten schon recht, als sie sagten, der alte Kunsthändler hätte mit dem Akademiker einen Plan ausgebrütet, um Feng Dai von seinem Posten zu vertreiben.«
    »Setz dich! Ich möchte genau wissen, was Kia sagte.«
    Nachdem Ma Jung zu Ende erzählt hatte, bemerkte der Richter befriedigt:
    »Das also hat uns Wen Yüan verschwiegen! Ich sagte dir ja gleich, daß ich das bestimmte Gefühl habe, er hielte mit etwas hinterm Berge zurück. Vermutlich wollten Wen und Li in das Kästchen, das Kia in Fengs Haus einschmuggeln sollte, einige Dokumente legen, die Feng belasten würden. Dann hätten sie Feng bei den Behörden angezeigt. Doch das ist unwesentlich, weil ja der Plan aufgegeben wurde. Nun, ich hatte eben ein Gespräch mit Feng und seiner Tochter. Danach scheint es, daß der Akademiker nicht Selbstmord beging, sondern ermordet wurde.«
    »Ermordet, Euer Gnaden?«
    »Ja. Hör zu, was die beiden mir sagten.«
    Als er seinem Gehilfen die Hauptpunkte seines Gesprächs erzählt hatte, gab Ma Jung seiner unverhohlenen Bewunderung mit den Worten Ausdruck:
    »Ein Teufelsmädel, das! Der Poet hatte schon das richtige Wort für sie: überspannt! Jetzt versteh’ ich auch, warum der Kia nicht allzu scharf auf eine Heirat mit ihr aus ist. Sie heiraten, heißt den Unruheteufel heiraten. Unruhe ohne Ende. Mithin, das Rätsel um den Akademiker wäre gelöst.«
    Der Richter schüttelte verneinend das Haupt.
    »Nicht ganz, Ma Jung. Du hast doch manches Handgemenge bestanden. Glaubst du, daß es für Jadering möglich war, mit dem Dolch in ihrer rechten Hand die rechte Schlagader ihres Angreifers zu durchstoßen?«
    Ma Jung zog die Lippen kraus.
    »Nicht gerade. Aber auch nicht unmöglich, Herr. Wenn zwei im Nahkampf sich umklammert halten und ein blanker Dolch zwischen ihnen blitzt, geschehen manchmal komische Sachen!«
    »Verstehe. Ich wollte über diesen Punkt nur Genaueres wissen.« Nach einer Weile des Nachdenkens meinte er: »Ich glaube, ich bleibe besser noch hier, nach alledem. Ich möchte das alles ein bißchen ordnen, so daß ich genau weiß, was ich Fräulein Ling fragen muß. Geh nun und veranlasse die Krabbe, dich zu Fräulein Lings Hütte zu bringen. Klopf aber nicht an, sondern laß dir den Ort von der Krabbe nur zeigen. Dann komm zurück und hol mich ab, wir wollen beide zusammen hingehen.«
    »Wir könnten den Ort leicht selber finden, Euer Gnaden. Er liegt draußen am Flußufer, ungefähr dem Landesteg gegenüber.«
    »Nein. Ich möchte alles Herumsuchen und Fragen nach Fräulein Ling vermeiden. Der Mörder könnte dort sein, und Fräulein Ling ist vermutlich die einzige Person, die über ihn Auskunft geben kann. Ich möchte sie nicht in Gefahr bringen. Nimm dir Zeit, ich warte hier auf dich. Ich habe über vieles nachzudenken!«
    Während er sprach, legte er sein Übergewand wieder ab, legte seine Kappe auf den Tisch und streckte sich auf dem Liegesofa aus. Ma Jung schob den Teetisch näher heran, so daß ihn der Richter leicht erreichen konnte. Dann verabschiedete er sich.
    Ma Jung ging geradewegs zum großen Spielsaal. Da es schon am späten Nachmittag war, hoffte er, Krabbe und Krebs nach Beendigung ihres ausgiebigen Tagesschlafes schon jetzt dort anzutreffen. Er fand sie auch wirklich im oberen Stockwerk, wo sie mit feierlichen Gesichtern über die Spieltische wachten.
    Er brachte sein Anliegen vor und schlug vor: »Vielleicht kann mich einer von Euch dorthin bringen?«
    »Wir gehen zusammen«, sagte die Krabbe. »Ich und der Krebs sind ein Zweigespann. Wißt Ihr das nicht?«
    »Wir sind eben von dort gekommen«, bemerkte der Krebs, »aber ein bißchen Bewegung kann uns nicht schaden, nicht wahr, Krabbe? Ich will nur beim Aufseher für unsre Vertretung sorgen.«
    Wieselflink entwischte der kleine Bucklige die Treppe hinunter, worauf die Krabbe Ma Jung auf die Veranda führte. Dort tranken sie mehrere Becher, bis der Krebs wieder erschien und ihnen berichtete, daß zwei ihrer Kollegen die Vertretung auf etwa eine Stunde übernehmen würden.
    Nun machten sich die drei Männer auf den Weg. Durch dichtgedrängte Straßen strebten sie in westlicher Richtung vorwärts, kamen aber bald in ruhigere Viertel, wo unter hohen Alleebäumen Straßenverkäufer ihre Stände hatten und Kulis hockten. Als sie dann auf ein Stück Buschland hinaustraten, das von unübersichtlichem Unterholz bedeckt war,

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