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Rico, Oskar und die Tieferschatten

Rico, Oskar und die Tieferschatten

Titel: Rico, Oskar und die Tieferschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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klingelte. Manche sogar öfters, wie Frau Dahling oder Berts, Jule und Massoud. Die Kesslers haben schon ein paarmal gefragt, ob ich sie nicht mal wieder besuchen möchte, aber ihre Zwillinge gehen mir auf die Nerven.
    Der Marrak jedenfalls hatte mir zuletzt sogar noch seine Visitenkarte geschenkt, mit goldenem Tresor drauf und so weiter. Wenn wir uns jetzt sehen, sind wir nett zueinander, aber in seine Wohnung hat er mich seitdem nie wieder eingeladen. Ich träume immer davon, dass er mal mit einem von seinen vielen Schlüsseln das weiße Häuschen auf seinem Dachgarten für mich aufschließt, aber da ist wohl nichts zu machen. Erwachsene haben ständig Schiss, sie könnten etwas tun, das die Polizei nicht so toll findet.

    »Ich hab die Blumen von den Runge-Blawetzkys gegossen«, erklärte ich dem Marrak. »Die machen Urlaub.«
    »Wer?«
    »Was?«
    »Die Blumen oder die Runge-Blawetzkys?«
    Ich sah ihn entgeistert an. Wollte der mich veräppeln? Seit wann machen Zimmerpflanzen Urlaub?
    Jetzt grinste er. »Sollte nur ein kleiner Scherz sein. Ein Rico-Scherz. Verstehst du?«
    Der hatte doch wohl einen Sprung in der Schüssel! »Hab gar nicht mitgekriegt, dass meine geschätzten Nachbarn schon abgezischt sind«, schob er hinterher, als wäre nichts gewesen.
    Am liebsten hätte ich ihn gefragt, wie er auch irgendwas mitkriegen wollte, wenn er ständig unterwegs war mit seinem klimpernden Schlüsselbund oder stinkende Unterwäsche durch die Gegend trug. So ein frecher Blödmann!
    »Nun guck nicht so böse!« Er gab mir einen kleinen Knuff gegen den Arm. »Ich dachte, das wäre ein guter Witz. Kleiner Spaß zwischen Männern. Ich wollte dich nicht beleidigen. Entschuldigung, okay?«
    »Okay«, sagte ich langsam.
    Ich lasse mich nicht gern auf die Schippe nehmen. Aber in diesem Fall machte ich eine Ausnahme und beschloss, nur noch ein bisschen sauer zu sein, weil der Marrak sonst immer freundlich zu mir ist. Das wars dann aber auch schon. Er ist groß und stark und hat ein bulliges Gesicht, aber ansonsten sieht er ziemlich unauffällig aus. Als Mann für Mama käme er sowieso nicht in Frage, schließlich hat er ja schon eine Freundin, und was hätte Mama von einem Mann, dem sie ständig die Klamotten waschen muss, während er mit einer anderen Frau ausgeht? Dazu noch Putzen, Aufräumen und dergleichen. Der Marrak ist schrecklich unordentlich. Bei meinem Besuch hatte seine Wohnung ausgesehen wie Kraut und Rüben. Wenn er nicht aufpasst, verlottert er völlig und endet später zusammen mit Fitzke vor der Käsetheke von Edeka.
    »So, dann wollen wir mal wieder, was?« Er bückte sich, um den Wäschesack aufzuheben. »Grüß deine Mutter von mir.«
    »Geht nicht, die ist für ein paar Tage weg.«
    Er hielt mitten in der Bewegung inne, richtete sich wieder auf und runzelte die Stirn. »Und wer gibt in der Zeit auf dich Acht?«
    »Ich selber und Frau Dahling.«
    »So. Naja.« Seine Unterlippe rutschte nach vorn, als gefiel ihm nicht, was er gehört hatte. »Offen gesagt verstehe ich manche Eltern nicht. Setzen Kinder in die Welt, um sie dann den ganzen Tag sich selber zu überlassen, vor der Glotze oder vorm Computer.«
    »Ich sitze nicht den ganzen Tag vor —«
    »Oder sie lassen die Kleinen unbeaufsichtigt durch die Gegend stromern. Wenn du mich fragst, dann sollte dieser Mister 2000 ihnen allen eine Lehre sein!«
    »Meine Mutter lässt mich nicht —«
    »Wären die entführten Kinder nicht allein in einer Großstadt herumgeturnt, hätte auch keiner sie mitnehmen können! Nur meine Meinung, nichts für ungut.«
    Jetzt war ich doch wieder sauer, aber anstatt etwas zu erwidern, nickte ich bloß. Ich hätte Mama verteidigen sollen, aber dieser Blödmann hörte mir sowieso nicht zu. Sein blasses Gesicht war ganz rosig angelaufen, es sah aus wie einer von Mamas bunten Badeschwämmen. Wenn ich irgendwas sagte, würde der Marrak bestimmt nur noch weiterschimpfen, und zuletzt, wenn er sich endlich abgeregt hatte, kam ihm womöglich noch die Idee, dass ich ihm beim Tragen helfen könnte.
    »Ich muss los«, sagte ich.
    »Ich auch«, sagte er und wuchtete endlich den Wäschesack über die Schulter. »Schönen Tag noch!«
    »Ihnen auch.«
    Von wegen! Die letzten Stufen in den Zweiten sprang ich runter. Als ich mich in die Wohnung einließ, hörte ich den Marrak weiter die Treppe raufkeuchen. »Verdammter fünfter Stock«, fluchte er leise. »Das nächste Haus wird eins mit Lift!«
    Selber schuld, dachte ich. Könnte sich ja eine eigene

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