Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
hätten, Racko von Tobi wegzutreiben?«
»Racko?«
»Ja, so heißt Müllers Schäferhund. Den hatte ich doch schon als Baby ein paar Mal gehabt. Deshalb hat der auch sofort von Tobi abgelassen, als ich ihn rief.«
»Dann wart ihr das mit dem Zeichen?«
Die dralle Wirtin schlug die Hände mit den wurstähnlichen Fingern vor ihr feistes Gesicht und sagte ungläubig:
»Nein, das Zeichen! Ihr seid ja gut! Und im Dorf denken jetzt alle, dass da wirklich ein böser Geist im Ried umgeht. Und die Reporter meinen nach dem Vorfall mit dem Köter, man müsste den Parologen von Freiburg holen.«
»Parapsychologen, Mama, die beschäftigen sich mit unerklärlichen Phänomenen.«
»Ach, lass mich in Ruhe mit deinem Besserwisser-Scheißdreck. So, so, ihr wart das mit dem Zeichen. Wie habt ihr das denn gemacht?«
Cäci schaute mich auffordernd an. Der mittlerweile für einen ehemaligen Suizidanten recht lebenslustige Tobi grinste eine Spur zu keck in meine Richtung. Ich sah mich genötigt, dem einköpfigen Tribunal Rede und Antwort zu stehen. Frieda sprang jedoch mit ihren 120 Kilo Nettogewicht behänd wie ein Federball aus dem Stuhl und bremste mich, bevor ich anhub zu erzählen, mit einer eindeutigen Geste ein:
»Ich hol uns geschwind eine Kleinigkeit zu knabbern. Das wird bestimmt spannend, in den Zeitungen ist es ja daaas Rätsel: der verhexte Hund! Das Brand-Zeichen! Das Teufelsmal!«
Sie kam mit einem Tablett zurück, auf dem drei Walder naturtrüb nebelgoldig leuchteten. Als knuspriger Zusatz steckten Knabber-Bierstangen in einem Glas.
»Danke für das Naschwerk, Frieda.«
»Bitte, Danile.«
Frieda war schon eine ganz besondere Marke. Ich legte kurz meinen Arm um ihre Schultern, dieser schien jedoch zu kurz, um die einzigartige Wirtin in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Daher gab ich ihr einen Kaum-Berührungs-Kuss auf die nahe liegende, wohlgenährte Wange.
»Lass die Knutscherei und erzähl. Aber nehmt zuerst einen Schluck! Zum Wohlsein!«
Die handschlanken, nach oben tulpenden Gläser bewegten sich zügig, spontan entschleunigend, mittig ein klingendes Dreieck bildend, aufeinander zu. Bewegten sich wieder voneinander weg und entleerten einen Teil des mit hellem Schaum bedeckten, würzigen Inhaltes in die Münder der somit beglückten Adressaten.
»Aaa!«
»Aaa!«
»AaaaaaAuuuuaah!«
Schnell stellte ich mein Glas ab und fuhr mir mit massierenden Fingerspitzen über meinen undankbaren Schädel. Entweder wurde ich immer vergesslicher oder immer empfindlicher. Kaltes Bier, gepaart mit dem Überschreiten meiner individuellen Trinkhöchstgeschwindigkeit, hatte meinem chronischen Leiden wieder einmal zu einem Spontanausbruch verholfen. Der Schmerz war an der Nasenwurzel wie eine tiefgekühlte Rasierklinge zwischen Schädeldecke und Hirnhaut eingedrungen, hatte die Hirnhaut geöffnet und sich in rotierenden Bewegungen in mein strapaziertes Gehirn eingefressen.
Cäci schüttelte allesbesserwissend ihr hübsches, schmerzunempfindliches Köpfchen und murmelte:
»Nicht lernfähig, das begreife ich einfach nicht.«
Tobi, der diese Reaktion zum ersten Mal gesehen hatte, war völlig verunsichert.
»Brauchen Sie, ääähh, brauchst du einen Arzt?«
Frieda winkte ab und maulte:
»So, jetzt erzähl endlich, ich habe die Zeit auch nicht gestohlen.«
Ich massierte noch einmal mein Schädelfleisch, bevor ich tatsächlich Friedas Neugierde stillte:
»Also, das war so: Tobi hatte ja die Idee mit seiner Bergsteigerausrüstung und dem Gang über das Wasser. Wir mussten also eine Stelle suchen, von der aus wir gut gesehen werden konnten, uns aber niemand erreichen konnte. Wir hatten natürlich nicht mit Müllers Racko gerechnet. Der Sauhund hat nämlich einen Weg zu uns gefunden, nachdem mein Herr Nachbar ›Fass!‹ gebrüllt hat. Tobi hing noch mitten über dem Tümpel und wir sagten ihm, der Köter würde nie einen Weg rüberfinden. Als Tobi an Land gezogen war, kam er wie der Blitz aus den Büschen und verbiss sich in Tobis Stiefel. Gott sei Dank war das alles schon hinter unserem Versteck. Und Cäci war super. Sie hat einfach ›Sitz!‹ gezischt und schon hat Racko brav Platz gemacht, sein Züngchen herausgestreckt und ganz verliebt zu Cäci geschaut. Ja, und dann hatte ich halt die, ääh, doofe Idee mit dem Zeichen.«
Frieda war ganz nahe an mich herangerückt und schaute mich mit offenem Mund an. Ich nahm einen langsamen Schluck vom köstlichen Nass.
»Weiter, los, erzähl weiter!«
Die neugierige Wirtin stieß
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