Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Pantherina-Syndrom durch den Fliegenpilz. Als Lateiner wissen Sie ja, Amanita muscaria. Die Latenzzeit ist beim Genuss des Fliegenpilzes sehr kurz, das geht ruckzuck, je nach Menge und Körperkonstitution liegt sie innerhalb weniger Minuten oder bei bis zwei Stunden. Und Frau Knaus ist eben kein Schwergewicht. Die ersten Anzeichen für so eine Vergiftung sind Schwindel und Müdigkeit, es steigert sich dann bis hin zu einem rauschartigen Zustand, zu dem Sinnestäuschungen, Koordinationsstörungen, Verlust des Zeitgefühls, Selbstüberschätzung und Aggressivität bis hin zu Tobsuchtsanfällen gehören können. Am Schluss fällt die Vergiftete dann in eine Art Tiefschlaf. Vermutlich ist sie schlafend entführt worden.«
Fasziniert lauschten wir den Ausführungen der attraktiven Pilzexpertin.
»Kann man daran auch sterben?«
»Über einzelne Todesfälle durch Schock oder Atemstillstand wurde in der Fachliteratur schon berichtet. Sie sind aber selten. Da muss man schon große Mengen essen.«
»Wie lange dauern die Symptome denn an? Kann man Medikamente dagegen nehmen?«
»Das kann bis etwa zehn Stunden so gehen. Die Erholung tritt jedoch sehr schnell wieder ein. Man kann aber nur die Symptome behandeln, es gibt kein Gegengift, das man spritzen könnte.«
»Dann ist das also wie auf Droge.«
»Es ist eine Droge, es kommt zu Verwirrung, Sprachstörungen, Sehstörungen und je nach Stimmungslage zu Depressionen oder Euphorie. Manche vergleichen es mit einem LSD-Rausch. Vergiftete berichten sogar von Flughalluzinationen.«
»Aha, daher der Name Fliegenpilz?«, wollte ich mich auch mal wieder in die Unterhaltung des Damenkränzchens einbringen.
»Kann sein«, giftete mich die Blonde an.
»Bei Alexandra hat man noch zusätzlich das Toxin vom grünen Knollenblätterpilz im Körper nachweisen können.«
»Woher wissen Sie das?«
»Vom Stammtisch.«
»Das ist richtig. In Alexandras Körper konnte Amatoxin nachgewiesen werden. Wobei man bei einer Amatoxinvergiftung auch nicht auf der Stelle tot umfällt. Das kann Tage gehen, die Leber wird zerstört. Bei Alexandra ging es wohl schneller. Die Obduktion hatte ergeben, dass sie ein schwaches Herz hatte.«
»Hauptsache, Hilde wird wieder gesund«, bemerkte Cäci mitfühlend.
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen, die wird schon wieder. Zweites Thema: Ihre Chaoten-Freunde. Da ja nun geklärt ist, dass die beiden hinter diesem Geister-Treiben stecken, sie haben das gestern noch gestanden, sehen wir von einer Anzeige ab.«
Unschuldig fragte ich die stramme Blondine:
»Ich wusste gar nicht, dass es ein Strafdelikt ist, mit Frauenkleidern im Ried herumzulaufen. Dann könnte ich Sie ja auch anzeigen, das tun Sie zurzeit ja ständig.«
»Herr Bönle, halten Sie einfach Ihren Mund, glauben Sie mir, das ist besser so. Sonst kann es schon sein, dass da noch etwas auf die beiden zukommt, vielleicht auch auf Sie. Drittes Thema: Ich komme gerade vom Fränkel-Hof, der Junge ist immer noch nicht aufgetaucht. Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
Mit versteinerter Mine fixierte sie mich.
»Nein, warum brauchen Sie ihn denn so dringend? Wird er verdächtigt? Der ist doch erst 17, da kann er wohl kaum etwas mit dem Tod der Asiatin zu tun haben.«
»Er hat aber mit Alexandra Hold zu tun gehabt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass sie sich jede Woche mehrmals getroffen haben.«
»Was heißt das? Dass sie etwas miteinander hatten?«
»Das geht Sie nichts an, holen Sie sich Ihre Informationen über die Medien! Viertes Thema, es gibt Hinweise, dass Sergej sich im Großraum Stuttgart aufhält und nicht, wie wir ursprünglich dachten, in der Ukraine. Es könnte sein, dass er sich am Mörder seiner Schwester rächen will. Wenn Sie irgendetwas hören oder wissen: kein Alleingang! Ist das klar?«
»Ja, ich weiß schon, sonst reißen Sie mir den Arsch auf bis zum Genick.«
»Ich sehe schon, Sie haben mich verstanden.«
Cäci und ich nickten mit den Köpfen wie zwei Wackeldackel auf dem Rücksitz eines Ford Granada, der über einen Feldweg donnert. Dann verließ uns die Gestresste – ohne einen angemessenen Abschiedsgruß.
40 Fettsucht
Das Buch Ezechiel
39:19 Fresst euch satt am Fett, und berauscht euch am Blut meines Opfers, das ich für euch geschlachtet habe.
Die Oma blickte mich freundlich an. Sie saß wie immer gebeugt unter dem Herrgottswinkel, den Rosenkranz um die Hände gewickelt. Vor ihr lag eine aufgeschlagene Bibel.
»Ja, grüß dich, Dani, du hast Glück, der Horst
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