Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
die sich verkleidet haben.«
»Quatsch, ich meine doch nicht deine Freunde und diesen Affenzirkus. Ich hab ja auch nicht Riedweible gesagt, sondern Riedweib. Da geht doch schon lang eine um, mir hat bloß nie jemand geglaubt. Der Horst hat immer gesagt, ich würde das Spinnen anfangen, und mit der Elsbeth kann man über so etwas ja gar nicht reden, die hält ja immer ihre Gosch. Und du, du hast sie doch mit deiner Cäcilia auch gesehen.«
»Ja, schon, aber wer soll das sein?«
»Was weiß ich, ich hab keine jungen Füße mehr und kann nicht mehr ins Ried springen, um zu gucken, wer sich da rumtreibt. Und manchmal nachts, wenn ich nicht schlafen kann, hab ich das Gefühl, dass da jemand auf dem Hof rumschleicht. Willst noch ein Leberwurstbrot?«
»Ja, gern!«
»Das gefällt mir, wenn die Jungen was essen. Du warst früher auch ein bissle schlanker. Aber das steht dir gut, ein richtiger Mann muss auch was darstellen.«
»Äääh, ich bin doch schon satt, hat supergut geschmeckt.«
»Supergut. Recht solls sein.«
»Haben Sie die Frau schon einmal gesehen?«
»Nein, auf dem Hof nie, das war eher so ein Gespür, wie wenn … ich kanns nicht recht ausdrücken, wie wenn da immer wieder mal jemand mitwohnen würde. Obwohl man ihn nicht sieht und hört und nicht riecht.«
»Hatten Sie das Gefühl erst jetzt?«
»Nein, ich hab schon vor Jahren dem Horst gesagt, er soll einen Hund hertun, einen scharfen Wachhund, aber das war ihm zu teuer.«
»Sie haben also seit Jahren das Gefühl, dass immer wieder mal jemand auf dem Hof ist und Sie beobachtet?«
»Ja, aber versteh mich nicht falsch. Ich bin alt und fühl mich oft einsam, vor allem nachts, da gehen einem schon die komischsten Geister durch den Kopf. Wenn man stundenlang wach liegt, da hört man schnell mal was und denkt dann weiß Gott was. Es ist nicht schön, das Altwerden. Nicht immer. Und wenn dann nachts was war, wenns hell ist, hat mans am Morgen gern vergessen. Und das ist ja nicht häufig, das Gespür. Das kommt ja ganz selten vor. Aber zurzeit hab ichs. Auch gestern Abend wars wieder da, das Gespür.«
»Und auf so einem großen Hof gibt es ja Versteckmöglichkeiten genug«, bestätigte ich die Alte.
»Da hast du recht, Dani. Du glaubst also, da könnt schon was dran sein, dass da eine umgeht?«
»Ja, aber kein Geist, sondern jemand aus Fleisch und Blut. Aber wer?«
»An einen Geist hab ich da auch nie gedacht. Eher an Vagabunden, die mal einen Unterschlupf suchen. Aber mein Gespür sagt, das triffts auch nicht genau.«
Ich nickte und grübelte.
»Willst du eine frische Dosenleberwurst mitnehmen und eine Blutwurst?«
»Gern, danke.«
»Für die Jagd-Schweinswürste, da müsst ich was verlangen. Da sind noch ein paar ganz harte vom letzten Metzgern da. Die halten noch eine Weile, die sind gut geräuchert, Buchenholz mit Wacholder.«
»Nein, die mag ich nicht so, zu viel Majoran.«
Ich konnte ja nicht sagen, dass mir diese Metzgerware zu teuer erschien, und so packte ich das doppelte Wurstgeschenk in meinen adretten, schwarz-orangenen Rucksack mit der gestickten Aufschrift: Motor Harley-Davidson Cycles.
Ich gab Tobis Oma zum Abschied die Hand. Sie nahm die Bibel vom Tisch, blätterte kundig und zitierte:
»Das Gleichnis vom wachsamen Hausherrn: Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet … So schreibt es der Matthäus. Es kommt halt immer anders, als man denkt. Und glaub mir, ich habe schon viel erlebt, es trifft einen immer ganz überraschend, es kommt, wann es kommt.«
Die alte Frau zwinkerte mir zum Abschied jugendlich zu und rief mir hinterher:
»Iss die Wurst nicht allein, gib deinem Mädle auch was, die verträgt etwas Speck auf den Rippen.«
Als ich über den kiesknirschenden Hof zu meiner schwarz glänzenden Harley-Davidson schritt, von deren Ledermonositz mich mein Helm anstarrte, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden.
41 Herrmannslachen
Das Buch Kohelet
7:3 Besser sich ärgern als lachen; denn bei einem vergrämten Gesicht wird das Herz heiter.
7:4 Das Herz der Gebildeten ist im Haus, wo man trauert, das Herz der Ungebildeten im Haus, wo man sich freut.
7:9 Lass dich nicht aufregen, so dass du dich ärgerst, denn Ärger steckt in den Ungebildeten.
7:10 Doch frag nicht: Wie kommt es, dass
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