Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
ein echter Oldie. Schau im Internet nach, was du für so ein Scheißteil heute zahlst. Das ist ein Daimler, kein Lada.«
Mein zweites Winterfahrzeug war ein stattliches, standesgerechtes Fahrzeug.
Bei einem dünnen Kaffee in Herrmanns Büro, dessen Sitzgelegenheiten aus ausgemusterten, übereinander gestapelten Autoreifen bestanden, besprachen wir das Projekt W 110 und kamen dann aber doch ins Private.
»Duuu, das war doch die Knaus, die Lehrerin«, genießerisch spitzte er seine Lippen und machte mit seinen rußschwarzen Pranken eine Kurvenbewegung von oben nach unten, »die ihr da aus dem Ried geholt habt. Da hab ich euch doch geholfen, ihre Kellertür aufzubrechen. Erzähl mal!«
Da ich mich immer noch im Ferienzustand befand, hatte ich Zeit und schilderte Herrmann dem Lauschenden die Ereignisse in den buntesten Farben. Herrmann war ein guter Zuhörer. Jeden meiner Sätze kommentierte er fachmännisch mit »Scheiße!«. Immer wieder musste ich ihm die Stelle erzählen, als der Traktor kippte, ich unter Wasser festhing und wie ich auf wundersame Weise vom heiligen Christophorus errettet wurde.
»Du, weißt du was, Daniel?«
»Nein, Herrmann.«
»Du, ich mach dir eine Votivtafel, besser sogar zwei, eine fürs Ried, dort wo der Traktor liegt, und eine für die Kirche.«
»Und warum?«
»Als Dank, du Depp, meinst du zum Spaß? Ich kann ganz gut malen. Und du machst den Text.«
»Danke, das ist wirklich lieb von dir, aber …«
»Ja, Scheiße, was bist denn du für ein Theologe? Du wirst aus der Gefahr vom Christoferross gerettet, ja, dann sagt man doch auch Danke. Das hat man früher auch immer gemacht und früher war nicht alles schlechter.«
»Okay, Herrmann, zwei Votivtafeln, du malst, ich schreibe den Text, super Idee, danke, Herrmann.«
»Das ist aber schon ein Aufwand, das Material, die Zeit …«
»Mensch, Herrmann, ich lad dich auf ein Bier in den Franziskaner ein, okay?«
Herrmann strahlte wie ein Castortransport. Ich nutzte sein Glück und fragte:
»Weißt du, wem der Schuppen gehört, in dem Hilde gefangen gehalten wurde?«
»Hmmm, der gehört, so viel ich weiß, der Gemeinde. Da hat früher noch jeder seinen Schrott reingebracht, bevor das mit der Renuta … Renate… Reanturierung anfing. Bauschutt, Elektroschrott …«
»Renaturierung.«
»Sag ich doch. Da liegen von mir auch noch ein paar Getriebe drin. Wenn das die Naturschützer wüssten, hahaha.«
»Ich wusste gar nichts vom Schuppen.«
»Den kennen nur wenige, da kommt man ja kaum hin, viel zu unsicher. Hast du ja gemerkt, hahaha! Da verirren sich höchstens ein paar Pilzsammler hin. Und gibts schon was Neues von der Frau, die da im Ried umgehen soll, vom echten Riedweible? Nicht von deinen Deppen-Freunden.«
Mittlerweile gab es also schon ein echtes Riedweible.
»Nein, aber was erzählt sich denn das Volk so? Du hast doch ständigen Kundenkontakt. Autos gehen immer kaputt.«
»Da wird halt Scheiß geschwätzt, echter Scheißdreck-Scheiß, das sei die Echte vom Schwaazen Vere, die würde sich rächen, weil deine Deppen-Freunde sie lächerlich gemacht hätten.«
»Gibt es noch andere Theorien?«
»Ja, das sei halt eine, die hier öfters umgehen würde. Eine Pennerin, die in den alten Hütten übernachtet. Also nichts Dramatisches.«
»Und sonst?«
»Manche sagen halt, das sei eine Serienmörderin und alle ungeklärten Morde gingen auf ihr Konto.«
»Was heißt alle?«
»Alle!«
»Ja, alle auf der Welt?«
»Depp, nein, halt alle!«
So kam ich auch nicht weiter.
»Und was wird denn so über die Fränkels geredet? Da hat man ja die Leichenteile gefunden.«
»Die Leute sagen, dass das der Bruder von der Alexandra war, der hat Dreck am Stecken. Drecks-Russenmafia!«
»Der soll seine Schwester ermordet haben und dann Leichenteile …«
Herrmann schlug sich mit seiner radkappengroßen Hand dreimal gegen die Stirn und hinterließ dort dunkle Flecken:
»Ja, denk du Depp halt auch mal nach, das ist doch ganz klar: Die Russen schmuggeln Waffen, der Bruder kriegt raus, dass es die Schwester rausgekriegt hat und der macht sie ruckzuck kalt. Dann kriegt der Bruder raus, dass die was mit dem Fränkel-Bub hatte und der wird dann halt gewarnt mit dem abgeschnippselten Scheißzeugs da. Damit er das Maul hält. So einfach ist das. Wenn ich die Bullen wäre, ich hätte den Russen schon längst eingesperrt.«
»Der ist verschwunden.«
»Ich weiß, der ist bestimmt schon mit seinen Scheiß-Waffen in Somalia und verkauft die an
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