Riley Jenson 03 - Der Gefähfrte der Wölfin
Gänsehaut. Gott sei Dank musste ich heute Nacht nicht auf der Straße schlafen. Ich schlug die Autotür zu und beobachtete, wie Dias schwarze Limousine von der Nacht verschluckt wurde.
»Also«, sagte ich und rieb meine nackten Arme, während ich mich umblickte, um festzustellen, wo ich mich befand. »Habt ihr alles gehört?« »Ja. Und ich bin ziemlich enttäuscht, dass du mir nichts von den Schwankungen deiner telepathischen Fähigkeiten erzählt hast.« »Es hat gerade erst angefangen, Chef. Es ist so viel passiert, dass ich es total vergessen habe.« »Das ist nicht gut, Riley. Wir müssen genau aufpassen, was mit deinen übersinnlichen Fähigkeiten geschieht.« »Okay. Wenn das nächste Mal etwas Ungewöhnliches passiert, versuche ich daran zu denken.« »Versuch’s nicht. Tu’s einfach.« Er zögerte. »Wieso hast du diese Vampire nicht getötet?« »Bring sie doch selbst um, wenn du unbedingt willst.« »Das haben wir bereits. Darum geht es nicht.«
Nein, es ging um etwas anderes: Er wollte, dass ich auf Befehl tötete. Ich hatte mich zwar damit abgefunden, dass ich ein Wächter werden musste, aber deshalb stürzte ich mich nicht gleich munter auf den erstbesten Mord.
»Auf der Karte, die sie mir gegeben hat, steht ihre Privatadresse, nicht die von der Arbeitsvermittlung, die sie und Starr als Tarnung benutzen.« Ich blickte nach rechts und links, überquerte die Straße und ging auf die Geschäfte auf der anderen Straßenseite zu. Kaffee und Schokolade waren etwas Feines. Sie würden zwar nicht die Schmerzen in meinem Kopf lindern, aber mir gut tun. »Das ist keine Tarnung, sondern eine eingetragene Agentur.« »Hat sie je zuvor jemand in ihr Haus eingeladen?« »Da wir sie erst seit sechs Wochen beobachten, können wir das nicht mit Sicherheit sagen.« »Sie könnte also etwas gemerkt haben?« »Sie schien nicht misstrauisch zu sein.« »Nein.« Ich zögerte. »Ich hatte aber das Gefühl, dass sie mehr weiß, als sie zugibt.« »Vermutlich ist sie jedem Fremden gegenüber zunächst misstrauisch. Deshalb überprüft sie alle.«
»Vieleicht.« Ich stieß die Tür zu einem Geschäft auf und besorgte mir einen Kaffee. Haselnussgeschmack gab es zwar nicht, aber diesen Mangel glich ich durch einen Schokoriegel mit Nüssen aus. Dann griff ich noch nach einer Schachtel mit Nüssen aus. Dann griff ich noch nach einer Schachtel Schmerztabletten. Die frei verkäuflichen waren zwar nicht gerade die stärksten, aber besser als nichts. Nachdem ich bezahlt hatte, verließ ich den Laden wieder.
»Wie habt ihr den Satz ›Du wirst uns retten‹ verstanden?« »Vieleicht hat sie sich versprochen?« »Ich glaube kaum, dass ihr etwas aus Versehen passiert.« Ich nippte an meinem Kaffee. »Hier geht etwas vor, von dem wir keine Ahnung haben.« »Dein Gefühl ist verständlich. Schließlich wissen wir wenig über sie oder ihre Beziehung zu Starr.« Er zögerte. »Sei trotzdem vorsichtig.« Als ob ich das nicht sowieso wäre. »Wie gründlich habt ihr recherchiert?« »Sehr gründlich. Wir bringen niemand absichtlich in Gefahr.« Ich grinste. »Na, da bin ich aber froh. Und? Was nun?« »Du suchst dir ein Zimmer in einem angemessenen Hotel und schläfst ein bisschen.« »Und dann?« »Dann warten wir ab, was der morgige Tag so bringt.«
»Es wird also eine Menge passieren. Du verrätst mir aber noch nicht, was es ist, denn ich könnte ja etwas Wichtiges ausplaudern, falls ich in schlechte Gesellschaft gerate.« Jack lachte. »Rhoan hat recht. Für ein Mädchen bist du verdammt schlau.«
Er hatte also unsere Trainingsstunde beobachtet und uns belauscht. Hatte ich es doch gewusst. »Wenn ich schlau wäre, würde ich nicht hier in einer einsamen Straße in St. Kilda stehen und mir den Arsch abfrieren, sondern wäre in New York oder Paris oder vieleicht sogar London, jedenfalls irgendwo, wo man sich überhaupt nicht für meine DNA interessiert.« »Deine DNA interessiert mich auch nicht.« »Nein, nur meine Mitarbeit in der neuen Wächterdivision«, erwiderte ich trocken. »Wie zum Teufel komme ich von hier aus zu Dias Haus?« »Fahr mit der Straßenbahn die Malvern Road hinunter, und steig an der Kooyong Road aus. Huntingfield liegt auf halber Strecke zwischen Malvern und Toorak.« »Von dort laufe ich also hin und zurück.« »Das wird dich schon nicht umbringen.« »Das sagst du so einfach. Du bist ja gestern nicht von Gautier zu Brei geschlagen worden.« »Du auch nicht, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
Nur
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