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Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)

Titel: Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Benchetrit
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Sterbenswörtchen gesagt.«
    »Vielleicht ging es ja gar nicht um mich.«
    »Kann schon sein. Vielleicht aber doch.«
    Ich hätte zittern und mir das Schlimmste ausmalenmüssen, doch mir schwirrte die ganze Zeit nur Mélanie im Kopf herum, das hielt mich im Gleichgewicht.
    Wir schlugen den Weg zum Stadion ein, weil es Zeit fürs Training war. Ich wusste, dass ich nicht spielen konnte und dass mich Monsieur Lorofi ohne meine Stollen niemals auf den Rasen lassen würde.
    »Was habt ihr in Französisch gemacht?«
    »Wir haben das Gedicht über Kaspar Hauser gelesen.«
    »Wer wurde abgefragt?«
    »Hélène Taroche.«
    »Was hat sie bekommen?«
    »Eine glatte Eins.«
    Hélène Taroche ist eine gute Schülerin, aber sie verzieht immer so schrecklich das Gesicht, wenn sie ein Gedicht aufsagt. Sie übertreibt fürchterlich, macht fünf Stunden lange Pausen, und zum Schluss laufen ihr die Tränen übers Gesicht. Manche mögen das. Ich finde es lächerlich.
    »Danach haben wir einen Aufsatz geschrieben.«
    »Über welches Thema?«
    » Was das Beste an mir ist
.
«
    » Was das Beste an mir ist? «
    »Genau.«
    »Und?«
    »Na ja, ich habe über meinen rechten Fuß geschrieben, wegen Fußball und so.«
    »Und du, Yéyé?«
    »Auch über meinen rechten Fuß.«
    »Und du, Brice?«
    »Ich habe über meine Neugier geschrieben.«
    Yéyé sagte:
    »Du wirkst aber gar nicht so neugierig, du fragst ja nie irgendwas.«
    »Das hält mich nicht davon ab, mich für viele Sachen zu interessieren … Ich höre euch zu … Ich spiele sogar Fußball, weil ihr so verrückt danach seid, obwohl ich gar nicht spielen kann.«
    Mir fiel ein, dass wir einmal bei Brice waren und er mir erzählte, seine Mutter hätte gesagt, das Beste an einem Menschen seien seine Neugier und seine Geduld. Und die Mutter von Brice, die kennt sich aus. Brice hat tatsächlich diese Eigenschaften. Er interessiert sich für eine Menge Dinge. Man kann mit ihm über Musik, über Geschichte, über Politik oder über Kino reden – er weiß immer etwas dazu zu sagen.
    Ich würde den wichtigsten Eigenschaften eines Menschen noch den Humor hinzufügen. Ich finde, das ist etwas, was man einfach haben muss. Und wenn ich in Form bin, habe ich einen ganz unglaublichen Sinn für Humor. Sie sollten mich mal sehen, wenn ich in Fahrt bin! Aber es gibt auch die Situationen, in denen mir kein einziger Witz gelingt. Wenn ich schüchtern bin, mich schäme oder so, dann wirke ich wie ein stummer Fisch. Oder wenn ich jemanden vor mir habe, in dessen Anwesenheit ich mich unwohl fühle, zum Beispiel Madame Hank, unsere Englischlehrerin. Oder Mélanie. Diese Leute können sich gar nicht vorstellen, dass ich witzig sein kann.
    Ich finde es echt anstrengend, dass eine einzelne Person, selbst wenn fünfzig andere danebenstehen, in der Lage ist, mich in ein schüchternes, stummes Wesen zu verwandeln.
    Mit den Lehrern ist es ganz genauso. Da gibt es welche, bei denen gefriert einem das Blut in den Adern, und es gibt andere, die einen glauben lassen, man wäre ein Genie. Am schlimmsten ist es mit Madame Hank. Die kann ich wirklich nicht ausstehen. Allein, wie sie meinen Namen mit ihrem englischen Akzent ausspricht:
    »Tschaaaaarls …«
    Ich könnte ihr jedes Mal eine scheuern! Schon am ersten Schultag des Jahres hatte sie die ganze Klasse eine Stunde nachsitzen lassen, weil wir uns gar nicht mehr einkriegten, als sie auf Englisch loslegte:
    »Hello, my name is Miss Hank, I am your English teacher.«
    Wir haben Tränen gelacht. Keine Chance, mit uns Unterricht zu machen. Irre, dieser Akzent! Jedes Mal, wenn sie »hello« sagte, schnitt sie eine total alberne Grimasse, und beim »o« von »hello« spitzte sie die Lippen zu einem Hühnerpopo.
    Nachdem sie uns zum Nachsitzen verdonnert hatte, wollte sie, dass wir im Chor »Hello« sagen. Ehrlich, wir haben versucht, uns zusammenzureißen und ihr den Gefallen zu tun. Artig spitzten alle den Mund zum Hühnerpopo, aber lange ging das nicht gut.
    Ich glaube, man kann kein anderes Gesicht machen,wenn man dieses Wort ausspricht und dabei ihren Akzent nachahmt.
    »Na los, macht es mir nach, ihr werdet sehen, es geht. Los, los, los, ich warte.«
    Probieren Sie es mal – was habe ich gesagt, schon haben Sie da, wo normalerweise das Gesicht ist, einen Hühnerpopo.
    Schade ist bei der Hank, dass wir ihr nicht mehr zuhören und uns echt zusammenreißen – oder Brice heißen – müssen, um ihr zu folgen. Damit wir nicht ins Kreuzverhör genommen werden oder

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