Ringwelt 06: Flatlander
Einheimischer sein.«
Das paßte überhaupt nicht zu meinen restlichen Annahmen, aber …
»Ja. Überprüfen Sie die Eintragungen. Sie besitzen die Vollmacht dazu.«
»Also schön, ich kümmere mich darum.« Boone lächelte. »Und jetzt verraten Sie mir noch, warum die Polizei den Spiegel nicht gefunden hat, als sie nach einem zurückgelassenen Nachrichtenlaser suchte?«
»Was ist mit einem Spiegel in einem flachen Orbit? Spiegel müssen im Radar nicht unbedingt sichtbar sein. Ein ebener Spiegel in der richtigen Ausrichtung verschaffte dem Attentäter mehrere Minuten Zeit, um sein Opfer anzuvisieren. Und wir wissen, daß er zu hastig geschossen hat.«
Boone schnaubte. »Das ist lächerlich! Ein Spiegel im Orbit müßte groß genug sein, damit der Mörder Penzler sehen kann und umgekehrt. Er hätte sich zur fraglichen Zeit wahrscheinlich im vollen Sonnenlicht befunden, denn das Attentat fand kurz vor Sonnenaufgang statt. Der Spiegel wäre von unten nicht zu übersehen gewesen, so hell hätte er geleuchtet.«
»Schön, ich gebe ja zu, daß es ein dummer Gedanke ist … trotzdem ist es die beste Theorie, die mir einfallen will. Wenn es uns gelingt, dort draußen einen Spiegel zu positionieren, der irgendwie verschwinden kann, dann haben wir Naomi entlastet, oder nicht?«
»Absolut. Ich denke, wir haben bereits jetzt genug, um sie aus dem Kältetank zu befreien, ohne auf eine zweite Verhandlung zu warten.«
»Setzen Sie sich mit dem Bürgermeister in Verbindung«, empfahl ich Boone. »Ich vertraue darauf, daß er vernünftigen Argumenten zugänglich ist.«
»Gut.« Boone machte sich erneut über sein Essen her. Der riesige Teller war inzwischen beinahe leer.
Ich sagte: »Ein Spiegel kann aus einem dünnen Film bestehen, der auf einen Rahmen gespannt ist, oder nicht? Falls der Killer ein Lunie-Polizist war, könnte er ihn anschließend auseinander gerissen und eingepackt haben. Penzler hat gesagt, drei- oder vierhundert Meter von seinem Fenster entfernt, aber ein Spiegel hätte nur halb so weit weg positioniert werden müssen … heh! Dieser schiefe Felsen steht hundertneunzig Meter weit entfernt. Jeder würde an der falschen Stelle suchen!«
»Schiefer Felsen?«
»Futz, ja! Da draußen steht ein großer Felsen, hundertneunzig Meter vor Penzlers Fenster. Chris dachte, er hätte an dem Felsen vorbeigesehen, aber er konnte nicht sagen, auf welcher Seite! Der Spiegel stand wahrscheinlich direkt an den Felsen gelehnt!«
Boones tief liegende Augen schienen sich noch weiter nach innen zurückzuziehen. Er aß unablässig weiter, während er nachdachte. Dann sagte er: »Sehr gut. Haben Sie bereits einen speziellen Verdächtigen im Sinn?«
Ich wußte von einer Polizistin, die an der gestrigen Suche nach Penzler teilgenommen hatte. Ich wußte, daß sie eine Vorliebe für Flatlander besaß. In ihren Liebesaffären (Plural oder Singular?) war sie auf eine Weise besitzergreifend, die für Lunies viel typischer war als für Flatlander. Vielleicht hatte sie eine Affäre mit Chris Penzler gehabt und war von ihm verlassen oder zurückgewiesen worden, zumindest nach ihren eigenen Maßstäben.
Sie kannte sich gründlich mit dem Zentralcomputer von Hovestraydt City aus, mit dem sie seit ihrem zehnten Lebensjahr zu tun hatte. Wenn Naomi einen Nachrichtenlaser hatte nehmen können, ohne Aufzeichnungen zu hinterlassen, dann galt das für Laura Drury erst recht. Und sie konnte auf die gleiche Weise in ein leeres Appartement eindringen.
Ein Lunie-Polizist hätte mühelos den späteren, erfolgreichen Mord begehen können. Die Oberfläche hatte zu der fraglichen Zeit nur so von Lunie-Polizisten gewimmelt. Der Mörder konnte sich vor oder nach dem Mord einer Gruppe von Polizisten angeschlossen haben, erst recht, wenn man bedachte, daß wir nicht imstande gewesen waren, die genaue Todeszeit festzustellen.
Aber Laura hatte in der Nacht, in der Penzler in seiner Badewanne angeschossen worden war, auf der Wache Dienst verrichtet. Oder doch nicht? Wann war sie zum Dienst erschienen? Hätte sie Zeit genug gehabt, um nach draußen zu gehen und einen Spiegel zu postieren? Der Mörder war in jener Nacht in großer Eile gewesen …
»Hamilton?«
»Entschuldigung. Ja, ich habe den einen oder anderen Verdacht, aber mir fehlt noch immer der Spiegel, der sich in Luft auflösen kann.«
»Wir sind hier nicht vor Gericht.«
»Ich weiß. Denken Sie weiter über den Spiegel nach. Ich bin kein Lunie. Ich übersehe vielleicht etwas
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