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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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Gravitation des Mondes gewöhnt wäre. Sie bemerkte meinen Blick und sagte: »Überraschung!«
    Und dann wurde es mir schlagartig »bewußt«.
    »Wenn man im Kältetank liegt, dürfen sie nicht an einen heran, es sei denn in Notfällen«, sagte sie. »Wußtest du das?«
    Ich hatte Mühe zu antworten. »Ich wußte es. Wir haben in der Konferenz darüber gesprochen. Was betrachten Lunies denn als Notfall?«
    »Genau da liegt der Haken«, antwortete Naomi. »Selbstverständlich haben sie sich entschuldigt. Sie haben getan, was sie konnten. Wie es scheint, ist eine brasilianische Planetologin in der Nähe von Kopernikus in einen Staubtümpel spaziert. Ein Wunder, daß sie mit ihren erfrorenen Beinen wieder herauskam. Aber sie hat es geschafft, hinzufallen und auch noch ihren Anzug aufzureißen. Das Vakuum zerstörte beide Trommelfelle, eine Lunge und ein Auge, und beim Sturz brach sie sich zwei Rippen. Rate mal, wer rein zufällig das richtige Abstoßungsspektrum besaß, um ihr auszuhelfen?«
    Ihre Beine waren nicht schlecht, aber sie sahen irgendwie anders aus, nicht ganz echt. Genau wie ihr Gesicht … und etwas an ihrem Körper – vielleicht die Art, wie sie sich hielt …
    »Ich nehme an, diese Mary de Santa Rita Lisboa ist eine Berühmtheit. Die Hölle wäre über dem Mond zusammengebrochen, wenn sie im Kopernikus keine angemessene medizinische Hilfe erfahren hätte. Schrecklich negative Berichterstattung in der Presse und so weiter. Um Gottes willen, Gil, sag mir, wie ich aussehe!«
    »Ganz genau wie immer«, erwiderte ich, und das war nicht gelogen. Sie schien nur ein wenig verzerrt, wie in einem billigen Spiegel. Chirurgische Eingriffe an den Innenohren hatten den Umriß ihres Gesichts verändert, und ihre Augen besaßen nicht genau die gleiche Farbe – wie hatte ich das übersehen können? Ihre Körperhaltung wirkte leicht krumm. Das würde sich geben, sobald sie wieder zu laufen gelernt hatte … schließlich hatte man ihr auch neue Beine transplantiert. Sie waren zu dünn … Gott sei Dank keine Lunie-Beine; Naomi hätte ausgesehen wie ein Storch. Wahrscheinlich stammten sie von einem Belter.
    Irgendwie hatten die Ärzte Teile gefunden, die zu Naomi paßten, jedenfalls fast. Was nichts an der Tatsache änderte, daß sie einen Kältetank geplündert hatten!
    »Ich möchte, daß du vor der Konferenz aussagst«, bat ich sie. »Ich werde ihnen die Hölle heiß machen!«
    »Gut«, sagte sie vehement.
    »Boone, haben Sie ihr die rechtliche Lage erklärt?«
    Boone nickte. Naomi sagte: »Ich wünschte, ich hätte das alles vor der Gerichtsverhandlung gewußt. Mir gefällt die Vorstellung nicht, daß ich jetzt noch zwei weitere Verhandlungen durchmachen soll, weißt du? Eine, um diese Anklage wegen versuchten Mordes niederzuschlagen, und eine, um mich zu überführen, daß ich einen Klon gezeugt habe.«
    »Und? Wirst du es tun?«
    »Ich gehe davon aus.«
    Ich kämpfte gegen das abstrakte Entsetzen zu wissen, daß Lunie-Hospitäler die Kältetanks ausgeplündert hatten, und ich kämpfte meine persönliche Bestürzung nieder, daß dabei ausgerechnet Naomi als Ersatzteillager hatte dienen müssen. Naomi war nicht mehr die alte. Sie war nicht unansehnlich, nur … anders. Eine Patchwork-Frau! Das war nicht mehr die Frau, deren unberührbare Schönheit mich vor langer Zeit in den Asteroidengürtel hatte fliehen lassen.
    »Das Urteil gegen Sie aufheben zu lassen könnte schwieriger werden, als Sie vielleicht meinen«, sagte Boone. »Kein Richter fällt gerne das Urteil, daß sich einer seiner Kollegen geirrt haben könnte. Wir …«
    Das war mein Stichwort. »Boone? Ich habe den verschwundenen Spiegel gefunden!«
    »Was? Wo?«
    »Wasser. Man gießt Wasser in eine große, flache Schüssel und läßt es gefrieren. Man nimmt das Eis mit nach draußen, ins Vakuum und den Schatten. Draußen auf dem Mond herrscht im Schatten eine Temperatur von hundert Grad und mehr unter Null. Das Eis verdunstet nicht, solange man es im Schatten läßt. Dann benutzt man die Maschinen der Spiegelfabrik, um die Oberfläche optisch eben zu polieren und zu versilbern. Was meinen Sie, könnte das funktionieren?«
    Boone starrte mich mit offenem Mund an. Jetzt sah er Abraham Lincoln überhaupt nicht mehr ähnlich. »Ja, das würde funktionieren!« rief er. »Mein Gott, das ist der Grund, warum es der Täter so eilig hatte! Er wollte Penzler ermorden, kurz bevor die Sonne auf den Spiegel fallen konnte.«
    Ich grinste. Da war es wieder, das Heureka!

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