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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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entscheidenden Augenblick in den Mund steckte, hätte ich sofort wieder die Hand frei, ohne daß er daran dachte.
    Welcher entscheidende Augenblick? Er saß noch immer in seinem Lehnsessel. Ich mußte gegen den Drang ankämpfen, ihn näher heranzulocken. Jede Bemerkung diesbezüglich würde ihn nur mißtrauisch machen.
    Wie spät war es? Und was machte Julie gerade? Ich dachte an eine Nacht vor zwei Wochen. Erinnerte mich an das Abendessen, daß wir auf der Aussichtsterrasse des höchsten Restaurants von Los Angeles eingenommen hatten, knapp eine Meile über dem Boden. Wir hatten auf einen Teppich aus Neonlichtern herabgeblickt, der sich in alle Richtungen bis zum Horizont erstreckte. Vielleicht nahm Julie meinen Gedanken auf …
    Wenn nicht, würde sie um neun Uhr fünfundvierzig meine Gedanken lesen.
    »Sie müssen sicher ein ganz außergewöhnlicher Raumfahrer gewesen sein«, sagte Loren. »Man stelle sich nur vor! Sie sind der einzige Mensch im gesamten Sonnensystem, der eine Antenne außen auf einer Schiffshülle justieren kann, ohne die Kabine zu verlassen.«
    »Antennen erfordern bei weitem mehr Kraft, als ich sie besitze.« Also wußte er auch, daß ich durch Gegenstände hindurch greifen konnte. Wenn er so genau über mich informiert war …
    »Ich hätte bleiben sollen«, erzählte ich Loren. »Ich wünschte, ich wäre auf einem Förderschiff, jetzt in dieser Minute. Ich bin damals nur zur Erde zurückgekehrt, weil ich zwei gesunde Arme wollte.«
    »Zu schade. Und jetzt besitzen Sie sogar drei. Mister Hamilton, ist Ihnen eigentlich je der Gedanke gekommen, daß es unfair sein könnte, wenn Sie Ihre PSI-Kräfte gegen Menschen richten?«
    »Wie bitte?«
    »Eine Form von Betrug. Erinnern Sie sich noch an Raphael Haine?« Lorens Stimme hatte einen schwankenden Tonfall angenommen. Er war wütend und hielt seine Emotionen nur mit großer Mühe unter Kontrolle.
    »Sicher. Ein keiner Freizeitverbrecher drüben in Australien, weiter nichts.«
    »Raphael Haine war ein Freund von mir. Ich weiß, daß er Sie vorübergehend in seiner Gewalt hatte. Verraten Sie mir eins, Mister Hamilton: Wenn Ihre imaginäre Hand so schwach ist, wie Sie behaupten, wie ist es Ihnen dann gelungen, sich von den Fesseln zu befreien?«
    »Dazu war keine Kraft nötig. Haine benutzte Handschellen. Ich durchsuchte seine Taschen nach dem Schlüssel … mit meiner imaginären Hand selbstverständlich.«
    »Sie haben PSI-Kräfte gegen ihn eingesetzt. Sie hatten kein Recht dazu!«
    Magie. Jeder, der keine paranormale Gabe besitzt, verspürt das gleiche. Ein wenig Furcht, ein wenig Neid. Loren war überzeugt, daß er mit der ARM fertig werden konnte. Er hatte mindestens einen unserer Agenten getötet. Und dann kamen wir und schickten ihm Hexenmeister entgegen. Das war in seinen Augen unfair.
    Einzig aus diesem Grund hatte er mich noch einmal aufwachen lassen. Loren wollte sich brüsten. Wie viele Menschen konnten von sich behaupten, einen Hexenmeister überwältigt zu haben?
    »Seien Sie kein Idiot«, entgegnete ich. »Erstens habe ich mich nicht freiwillig gemeldet, um Ihre albernen Spielchen zu spielen, oder die von Haines. Und zweitens sind sie nach meinen Regeln nichts weiter als ein ganz gewöhnlicher Mörder.«
    Loren erhob sich (wie spät war es?), und ich erkannte schlagartig, daß meine Zeit abgelaufen war. Er war rasend vor Zorn. Sein seidiges blondes Haar schien ihm buchstäblich zu Berge zu stehen.
    Ich blickte in die winzige Mündung des Nadlers und konnte nichts, absolut gar nichts unternehmen. Die Reichweite meiner telekinetischen Kräfte endete dort, wo auch meine realen Finger geendet hätten. Mit einem Mal kamen mir die Dinge in den Sinn, die ich niemals spüren würde: Das Trastin in meinem Blut, das das Wasser in den Zellen daran hinderte zu gefrieren, das Kältebad aus halb erstarrtem Alkohol, die Skalpelle und die winzigen chirurgischen Präzisionslaser. Am meisten fürchtete ich mich vor den Skalpellen.
    All mein Wissen wäre verloren, wenn sie mein Gehirn entsorgten. Ich wußte, wie Loren aussah. Ich wußte, was sich hinter den Monica Appartements verbarg und hinter weiß Gott wie vielen anderen Häusern dieser Art. Ich wußte, wo ich im Death Valley hingehen mußte, um all die Sehenswürdigkeiten zu bestaunen – eines Tages würde ich es tun. Wie spät war es? Wie spät?
    Loren hielt den Betäubungsnadler hoch und blickte mich über den ausgestreckten Arm hinweg an. Offensichtlich war er der Meinung, ein paar Zielübungen

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