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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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könnten nicht schaden. »Wirklich, es ist eine Schande«, sagte er, und seine Stimme bebte leise. »Sie hätten im Belt bleiben sollen.«
    Worauf wartete er nur? »Ich kann mich nicht winden, solange Sie diese Bandagen nicht lösen«, fuhr ich ihn an und stieß ihm die halb aufgerauchte Zigarette wütend entgegen. Sie entglitt meinem imaginären Griff, und ich fing sie wieder auf …
    … und drückte sie in mein linkes Auge.
    Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich vermutlich ein wenig sorgfältiger über diese Idee nachgedacht. Aber in dieser Situation war es richtig: Loren betrachtete mich bereits als sein Eigentum. Als lebendes Hautgewebe, gesunde Nieren, elastische Adern, als Ersatzteile seiner Organbank. Ich war eine Million Kredits wert und gehörte ihm. Und ich hatte mein Auge zerstört! Organpascher sind immer hinter Augen her; jeder, der eine Brille trägt, ist ein potentieller Kunde. Außerdem waren die Organpascher selbst darauf bedacht, ihre Retinamuster unablässig zu ändern.
    Womit ich nicht gerechnet hatte, war der Schmerz. Irgendwo hatte ich gelesen, daß es im Augapfel keine schmerzempfindlichen Nervenenden gibt. Dann hatte ich mir wohl die Augenlider verbrannt. Es tat jedenfalls entsetzlich weh!
    Loren fluchte lästerlich und rannte auf mich zu. Er wußte, wie schwach mein imaginärer Arm war. Was konnte ich schon damit anrichten? Er ahnte es nicht; es war ihm zu keinem Zeitpunkt in den Sinn gekommen, obwohl er es hätte wissen müssen. Er rannte auf mich zu und schlug nach der Zigarette, ein wuchtiger Schlag, der mir fast den Kopf vom Hals gerissen hätte und den Zigarettenstummel gegen eine Wand segeln ließ. Außer Atem, wütend, sprachlos vor Zorn blieb er vor mir stehen – in Reichweite.
    Ich kniff das verletzte Auge zu wie eine kleine, gefolterte Faust.
    Dann streckte ich die Hand nach Loren aus, vorbei an seiner Waffe, durch seine Kleidung hindurch, durch den Brustkorb … und fand sein Herz. Ich drückte zu.
    Seine Augen drohten mit einem Mal aus den Höhlen zu quellen. Er riß den Mund auf, und sein Kehlkopf zuckte krampfartig. Mit einemmal hatte er die Waffe vergessen. Achtlos polterte sie zu Boden, als er mit beiden Händen seine Brust umklammerte. Zweimal fuhr er mit den Fingernägeln über die Brust, schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen – vergeblich. Wahrscheinlich glaubte er, einen Herzanfall zu erleiden. Dann jedoch fiel sein Blick auf mich.
    Mein Gesicht. Ich war ein einäugiges Raubtier, und ich fletschte vor Mordlust die Zähne. Ich würde seinem Leben ein Ende bereiten, und wenn ich ihm dazu das Herz aus der Brust reißen mußte! Loren mußte dies begriffen haben. Ich sah in sein Gesicht. Er wußte es!
    Zu spät. Er sank zu Boden und rührte sich nicht mehr.
    Vor Entsetzen und Abscheu zitterte ich am ganzen Leib. Kalter Schweiß lief mir über den Rücken. Die Narben! Loren bestand nur aus Narben, wohin ich auch tastete. Ich hatte sie gespürt, als ich in seine Brust eingedrungen war. Sein Herz war ein Transplantat. Der Rest von ihm … aus der Ferne hatte er ausgesehen wie dreißig, doch aus der Nähe war sein Alter unmöglich abzuschätzen. Manche Teile waren jünger, andere älter. Wie viel war noch von dem echten Loren? Welche Körperteile hatte er anderen genommen? Und nichts von alledem paßte richtig zusammen.
    Er muß chronisch krank gewesen sein, dachte ich. Und die Ämter haben ihn nicht mit den Transplantaten versorgt, die er benötigte. Eines Tages hatte er die Lösung für all seine Probleme gefunden …
    Loren rührte sich nicht mehr. Er atmete nicht. Ich erinnerte mich wieder, wie sich sein Herz in meiner imaginären Hand aufgebäumt und gewunden und schließlich aufgegeben hatte.
    Er lag auf dem linken Arm, so daß ich seine Uhr nicht sehen konnte. Ich war ganz allein in einem leeren Raum und wußte immer noch nicht, wie spät es war.
    Ich fand es nie heraus. Stunden später wagte Miller, seinen Boß zu stören. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und er steckte das runde, nichts sagende Gesicht hindurch, sah Loren reglos zu meinen Füßen liegen und zuckte mit einem erschrockenen Aufschrei zurück. Einen Augenblick später schob jemand die Mündung eines Nadlers durch den Türspalt und ein wäßriges blaues Auge nahm mich ins Visier. Ich spürte einen Einstich in der Wange.
     
    »Ich habe dich ganz früh überprüft«, berichtete Julie. Sie saß unbehaglich am Fuß meines Krankenhausbetts. »Eigentlich warst du es, der mich gerufen hat. Als

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