Ringwelt 06: Flatlander
Telefonschirm wurde ein rotgesichtiger, sehr würdevoller Mann mit weißem Haar sichtbar. Er erkundigte sich, wen ich zu sprechen wünschte. Ich nannte den Grund meines Anrufs und hielt meine ARM-Marke vor die Aufnahmeoptik. Er nickte und schaltete die Verbindung stumm.
Augenblicke später sah ich auf dem Schirm einen jungen Mann mit fliehendem Kinn, der mich zerfahren anlächelte und sagte: »Entschuldigen Sie bitte. Ich erfahre in letzter Zeit sehr viel Aufmerksamkeit seitens der Nachrichtenmagazine. Zero ist eine Art, äh … Puffer.«
Hinter seiner Schulter erblickte ich einen Tisch mit Apparaten darauf: Ein Lesegerät, eine Hand voll Datendisks, ein kleines Aufnahmegerät, zwei Schreibstifte, einen Stapel Papier, alles säuberlich angeordnet. »Tut mir leid, wenn ich Sie bei Ihren Studien unterbreche«, entgegnete ich.
»Das tun Sie, jawohl. Es ist schwer, sich nach den Feiertagen zum Jahreswechsel wieder in den Stoff einzuarbeiten. Vielleicht erinnern Sie sich … kenne ich Sie nicht? Oh! Sie waren der Mann mit der schwebenden Zigarette!«
»Richtig.«
»Wie haben Sie das nur gemacht?«
»Ich besitze einen imaginären Arm.« Ein wunderbares Gesprächsthema, ein Eisbrecher von nahezu fantastischem Potential. Ich war ein Wunder, eine sprechende Seeschlange, jedenfalls nach den Blicken, mit denen der Junge mich anstarrte. »Ich habe meinen richtigen Arm verloren, als ich im Asteroidengürtel als Schürfer unterwegs war. Ein Gesteinssplitter hat ihn mir direkt unterhalb der Schulter abgetrennt.«
Er starrte mich ehrfürchtig an.
»Selbstverständlich habe ich mir ein Transplantat besorgt, doch ein Jahr lang war ich ein einarmiger Mann. Ich hatte immer noch eine ganze Gehirnsektion zur Verfügung, deren Aufgabe die Kontrolle meines rechten Arms war, und keinen rechten Arm … wahrscheinlich entwickelt sich Psychokinese ganz leicht, wenn man sich in einer Umgebung mit geringer Schwerkraft aufhält.« Ich legte eine Pause ein, die ein klein wenig zu kurz war, als daß er eine Frage hätte stellen können. »Letzte Nacht hat jemand vor dem Midgard versucht, mich umzubringen. Das ist der Grund, aus dem ich bei Ihnen anrufe.«
Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, daß er laut zu kichern begann, »‘tschuldigung«, stieß er schließlich hervor. »Klingt, als führen Sie ein aufregendes Leben.«
»Das stimmt. Allerdings verstehe ich nicht, was Sie daran so besonders lustig finden. Ich nehme nicht an, daß Ihnen gestern Abend irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist?«
»Nur die üblichen Schlägereien und Schießereien. Und dann war da noch so ein Bursche mit einer schwebenden Zigarette vor dem Mund.« Er wurde ernst, als ihm mein unübersehbarer Mangel an Humor auffiel. »Bitte entschuldigen Sie, aber Sie müssen mich auch verstehen. Im einen Augenblick reden Sie von einem Meteoriten, der Ihnen den Arm abtrennt, und im nächsten fliegen Ihnen Kugeln um die Ohren!«
»Ich verstehe.«
»Ich habe das Restaurant vor Ihnen verlassen, da bin ich ganz sicher. Was ist passiert?«
»Irgendjemand hat das Feuer auf uns eröffnet. Aus einem Jagdlaser. Wahrscheinlich ein Verrückter, weiter nichts … Ein ehemaliges Mitglied der Bande, die damals Sie und Ihre Schwester …« Er starrte mich erschrocken an. »Ganz genau«, sagte ich. »Wahrscheinlich besteht kein Zusammenhang, aber wir haben uns gefragt, ob Ihnen möglicherweise etwas aufgefallen ist. Ein bekanntes Gesicht oder etwas in der Richtung?«
Er schüttelte den Kopf. »Die ändern doch ununterbrochen ihr Aussehen, oder?«
»Normalerweise schon, ja. Wie sind Sie nach Hause gekommen?«
»Mit dem Taxi. Ich wohne in Bakersfield, ungefähr zwanzig Minuten von High Cliffs. Wo hat man Sie denn überfallen? Ich bin auf der dritten Einkaufsetage in mein Taxi gestiegen.«
»Damit hat sich meine Frage sowieso erledigt. Wir waren auf der ersten.«
»Ich kann nicht sagen, daß es mir leid tut. Vielleicht hätte der Kerl sonst auf mich geschossen.«
Ich überlegte, ob ich ihn davon unterrichten sollte, daß die Kidnapperbande vielleicht erneut Interesse an ihm entwickelt haben könnte. Ob ich ihn auf eine bloße Vermutung hin zu Tode ängstigen oder ihn mit heruntergelassenen Hosen in einen möglichen Entführungsversuch laufen lassen sollte. Er machte zwar einen gefaßten Eindruck, doch so etwas konnte täuschen.
Ich versuchte Zeit zu gewinnen. »Mister Chambers, vielleicht können Sie den Mann identifizieren, der letzte Nacht auf mich geschossen hat.
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