Ringwelt 06: Flatlander
ein Comeback.«
»Oder Tiller ist einfach übergeschnappt. Entzugserscheinungen. Er hat seit beinahe zwei Jahren niemanden mehr umgebracht, der Ärmste. Ich wünschte, er hätte sich einen besseren Zeitpunkt ausgesucht.«
»Warum denn das?«
»Ich war mit Taffy unterwegs. Sie steht noch immer unter Schock.«
»Davon haben Sie mir überhaupt nichts erzählt! Sie wurde nicht verletzt, oder doch?«
»Nein. Sie ist mit dem Schrecken davongekommen.«
Bera entspannte sich wieder ein wenig.
Er strich sich mit der Hand federleicht über die Afrofrisur. Bei Bera bedeutete diese Bewegung das gleiche, als ob sich jemand anders nervös am Kopf kratzte. »Ich hasse den Gedanken, daß Sie beide getrennt werden könnten.«
»Oh, so schlimm ist es nicht …« Wäre es so ernst gewesen, hätte ich es ihm sicher erzählt, doch das wußte er. »Nun ja, wir hatten letzte Nacht nicht sonderlich viel Schlaf. Es lag nicht nur daran, daß auf uns geschossen wurde, verstehen Sie?«
»Ich verstehe.«
»Taffy ist Chirurgin. Für sie sind Transplantate nichts als Arbeitsmaterial. Werkzeuge. Ohne Organbank könnte sie überhaupt nicht arbeiten. Sie betrachtet Organe nicht als Teile von Menschen … jedenfalls hat sie das nicht getan, bis wir uns begegnet sind.«
»Ich habe nie einen von Ihnen beiden darüber reden hören.«
»Das tun wir auch nicht, nicht einmal dann, wenn wir allein sind. Trotzdem, dieses Thema bleibt immer hintergründig präsent. Die meisten Transplantate stammen von verurteilten Kriminellen, die von Helden wie Ihnen und mir gefangen wurden. Ein Teil stammt von respektablen Bürgern, die von Organpaschern gefangen, getötet und in illegale Organbänke gebracht wurden, um schließlich von besagten Helden wieder zurückgebracht zu werden. Taffy hat keine Ahnung, von wem das Material stammt, das sie verwendet. Man läßt sie bewußt im Ungewissen. Sie arbeitet mit Körperteilen von Menschen. Ich glaube nicht, daß sie mit mir zusammen sein kann, ohne sich darüber den Kopf zu zerbrechen.«
»Und von einem ehemaligen Organpascher überfallen zu werden, war sicher nicht sonderlich hilfreich. Wir sorgen besser dafür, daß sich so ein Zwischenfall nicht wiederholen kann.«
»Jackson, dieser Tiller war nichts weiter als ein Verrückter.«
»Er war einer von Anubis’ Leuten.«
»Ich hatte nie etwas mit Anubis zu tun.« Dann erinnerte ich mich. »Aber Sie! Erinnern Sie sich vielleicht noch an Einzelheiten der Entführungssache Holden Chambers?«
Bera bedachte mich mit einem überraschten Blick. »Holden und Charlotte Chambers, ja. Sie haben ein verdammt gutes Gedächtnis. Vieles deutet darauf hin, daß Anubis die Finger im Spiel hatte.«
»Erzählen Sie mir davon.«
»Damals gab es mit einem Schlag eine weltweite Zunahme an Entführungen. Sie wissen, wie Organpascher arbeiten. Die staatlichen Krankenhäuser haben immer zu wenig Transplantate. Einige kranke Bürger können nicht warten, bis sie an der Reihe sind. Die Banden fangen eine gesunde Person, töten und zerlegen sie, werfen das Gehirn weg und benutzen den Rest für illegale Transplantationen. So war es jedenfalls, bis die Freezergesetze ihnen den Markt unter den Füßen weggezogen haben.«
»Ich weiß.«
»Das einzig Merkwürdige an der Chambers-Entführung war, daß Holden und Charlotte Chambers beide am gleichen Tag und um die gleiche Zeit gekidnappt wurden, gegen sechs Uhr abends.« Bera arbeitete unentwegt an der Computertastatur. Dann blickte er auf den Schirm und sagte: »Nein, sieben Uhr. Am einundzwanzigsten März 2123. Und die beiden waren meilenweit voneinander entfernt. Charlotte hatte sich in einem Restaurant verabredet, und Holden besuchte ein Abendseminar in der Washburn University. Warum um alles in der Welt sollte eine Bande von Kidnappern beide Geschwister entführen?«
»Was glauben Sie?«
»Vielleicht waren sie der Meinung, die Treuhänder der Chambers würden eher zahlen, wenn beide Kinder in ihrer Gewalt waren. Wir werden es wohl niemals erfahren. Wir haben keinen einzigen der Kidnapper fassen können, und wir hatten Glück, daß wir wenigstens die Kinder heil zurückgebracht haben.«
»Was bringt Sie auf den Gedanken, Anubis könnte dahinter stecken?«
»Es geschah in seinem Gebiet. Die Entführung der Chambers-Kinder war nur die letzte von insgesamt sechs, die sich in der Gegend abgespielt haben. Glatte Operationen, keine Aufregung, keine Pannen, und die Opfer wurden jedes Mal unverletzt zurückgegeben, nachdem das Lösegeld
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