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Ringwelt 06: Flatlander

Ringwelt 06: Flatlander

Titel: Ringwelt 06: Flatlander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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Möglicherweise hat er das Gesicht verändert …«
    »Ja.« Er wurde unruhig, doch das ging vielen Leuten so, wenn man sie bat, in das Gesicht eines Toten zu sehen. »Ich schätze, ich muß es zumindest versuchen. Ich komme morgen Nachmittag vorbei. Nach den Seminaren.«
    Aha. Morgen würde ich also sehen, aus welchem Holz er geschnitzt war.
    »Ein imaginärer Arm, sagen Sie? Ich habe noch nie gehört, daß ein Paranormaler auf diese Weise über seine Begabung gesprochen hätte.«
    »Ich bin nicht fantasievoll genug«, erklärte ich ihm. »Meine beschränkte Vorstellungskraft, wissen Sie? Ich kann Dinge mit den Fingerspitzen fühlen, aber nicht, wenn sie sich außer Reichweite meines richtigen Arms befinden.«
    »Die meisten Paranormalen können über größere Distanzen agieren. Warum versuchen Sie es nicht einmal mit Hypnose?«
    »Um Gefahr zu laufen, meinen imaginären Arm ganz zu verlieren? Das ist mir zu riskant.«
    Es sah aus, als sei er von mir enttäuscht. »Was können Sie schon mit einem imaginären Arm, das Sie mit einem echten nicht könnten?«
    »Nun, ich kann zum Beispiel Dinge aufheben, an denen ich mich sonst verbrennen würde.«
    »Ja.« Daran hatte er nicht gedacht.
    »Und ich kann durch Wände greifen. Ich kann auf zweierlei Weise durch einen Telefonbildschirm greifen. Ich kann mit der Elektronik dahinter spielen oder – warten Sie, ich zeig’s Ihnen.«
    Es funktioniert nicht immer. Diesmal jedoch hatte ich ein gutes Bild: Chambers lebensgroß und in Farbe, in Stereo, auf einem vier Quadratfuß großen Schirm. Er sah aus, als stünde er direkt vor mir. Also versuchte ich es. Ich griff mit meinem imaginären Arm durch den Schirm, hob einen Stift vom Schreibtisch vor Chambers auf und wirbelte ihn herum wie einen Taktstock.
    Er kippte rückwärts aus seinem Stuhl, rollte sich ab, und ich erhaschte einen Blick auf sein Gesicht. Es war grau vor Angst und Entsetzen. Dann verschwand er aus dem Aufnahmewinkel. Sekunden später wurde der Schirm dunkel. Offensichtlich hatte er den Apparat von der Seite her abgeschaltet.
    Hätte ich sein Gesicht berührt, dann hätte ich seine Reaktion verstanden. Aber ich hatte nichts weiter getan, als einen Bleistift aufzuheben. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten?
    Ich schätze, es war mein eigener Fehler. Für manche Menschen sind PSI-Kräfte etwas Übernatürliches, Unheimliches, Bedrohliches. Ich hätte sie nicht derart offen demonstrieren dürfen. Andererseits hatte Holden Chambers auf mich nicht den Eindruck gemacht, als fürchte er sich. Impulsiv, vielleicht ein wenig nervös, aber mehr fasziniert als abgeschreckt von den Fähigkeiten einer unsichtbaren, immateriellen Hand.
    Und dann: nacktes Entsetzen.
    Ich versuchte erst gar nicht, ihn wieder anzurufen. Kurz dachte ich darüber nach, ihn überwachen zu lassen, doch dann entschied ich mich dagegen. Die Gefahr war zu groß, daß unsere Leute entdeckt wurden. Doch ich beschloß, ihm einen Tracer einpflanzen zu lassen.
    Anubis konnte sich jederzeit an Chambers heranmachen. Er mußte nicht erst abwarten, bis die Vollversammlung Levitikus Hale für tot erklärte.
    Eine Tracernadel war ein nützliches kleines Instrument. Man konnte sie aus dem Hinterhalt auf die Person abfeuern, die zu überwachen war – in diesem Fall Chambers. Wahrscheinlich würde er den Einstich nicht einmal entdecken – das Loch war nicht größer als ein Stecknadelkopf –, und wir würden von da an stets wissen, wo er sich gerade aufhielt.
    Vielleicht war es nicht die schlechteste Idee, Charlotte Chambers ebenfalls einen Tracer einzupflanzen. Ich ging nach unten und ließ mir das handflächengroße, druckluftbetriebene Implantiergerät geben. Gleichzeitig nutzte ich die Gelegenheit, meine Handfeuerwaffe nachzuladen. Das Gefühl, die Waffe wieder in den Händen zu halten, weckte die Erinnerung an haarfeine grüne Lichtstrahlen, die meinen Kopf nur knapp verfehlten.
    Als letztes gab ich ein Standard-Informationspaket in Auftrag, das mir Aufschluß über alles geben sollte, was Chambers in den letzten zwei Jahren gemacht hatte. Es würde wahrscheinlich einen oder zwei Tage dauern, bis es auf meinem Schreibtisch landete.
     
    In der winterlichen Landschaft von Kansas klafften weite Lücken; jede einzelne davon barg eine Stadt. Die Wetterkuppeln hatten Kilotonnen von Schnee nach außen abgedrängt, und die Verwehungen außerhalb der Städte waren dafür um so höher. Im Licht des frühen Abends erstrahlte das schneebedeckte Land in Orange und

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