Ringwelt 06: Flatlander
keine Frage dieser Art. Falls wir aber nach jemand anderem suchen, müssen wir davon ausgehen, daß er seinen Plan nicht verwirklichen konnte. Er mußte improvisieren.«
»Mmm-hm. Er könnte trotzdem geplant haben, Rodewalds Balkon für die Flucht zu benutzen. Und das wiederum würde bedeuten, daß er einen Weg kannte, der ihn sicher an den Kameras vorbeibringen würde …«
»Selbstverständlich kannte er einen Weg: den Generator …«
Richtig. Falls er gekommen war, um den Generator zu stehlen … und er mußte ihn unbedingt stehlen, denn wenn wir ihn fänden, wäre sein Alibi zum Teufel. Also plante er vermutlich, ihn eingeschaltet zu lassen, während er ihn die Treppen hinaufwuchtete. Angenommen, er hat damit gerechnet, dafür eine Minute zu benötigen … das wäre nur eine Achtel Sekunde normaler Zeit gewesen. Eine Chance von eins zu acht, daß die Kamera ausgerechnet dann ein Bild schießen würde – und selbst wenn: es wäre nichts außer einem verschwommenen Schatten zu sehen gewesen …
»Mmm-hm.«
»Was denn?«
»Er muß tatsächlich geplant haben, die Maschine zu stehlen. Aber hat er auch vorgehabt, sie an einem Seil zum Balkon von Rodewald hinunterzulassen?«
»Ich denke, das ist eher unwahrscheinlich«, widersprach Ordaz. »Das Ding wiegt gut und gerne fünfzig Pfund. Er kann es die Treppe hinaufgetragen haben. Durch den Rahmen ist der Apparat transportfähig. Aber der Gedanke, ihn an einem Seil nach unten zu lassen …«
»Wir müßten nach einem ziemlich athletischen Burschen Ausschau halten.«
»Wenigstens müßten wir nicht lange nach ihm suchen, oder? Wir gehen doch davon aus, daß der hypothetische Mörder mit dem Aufzug gekommen ist, nicht wahr?«
»Jepp.« Außer Janice Sinclair war in der letzten Nacht niemand über das Dach gekommen.
»Der Aufzug ist so programmiert, daß nur ein bestimmter Personenkreis ihn benutzen kann und sonst niemand. Die Liste der Leute ist kurz. Doktor Sinclair war kein sehr geselliger Mensch.«
»Sie wollen sie überprüfen? Alibis, Aufenthaltsorte und so weiter?«
»Selbstverständlich.«
»Dann sollten Sie vielleicht noch etwas anderes bedenken«, sagte ich. Aber in diesem Augenblick traf Andrew Porter ein, und ich mußte unsere weitere Unterhaltung vertagen.
Porter war lässig gekleidet. Er steckte in einem alten, transparenten Overall, den er wahrscheinlich übergezogen hatte, während er noch auf das Taxi wartete. Unter dem lose sitzenden Gewebe schwollen Muskeln wie Felsbrocken, und seine Bauchmuskeln sahen aus wie ein Waschbrett. Surfermuskeln. Die Sonne hatte sein Haar nahezu weiß gebleicht, und er war braungebrannt wie Jackson Bera. Man sollte denken, eine derart intensive Bräune würde verbergen, wenn jemand erblaßte, doch weit gefehlt.
»Wo ist sie?« wollte er wissen. Er wartete erst gar nicht auf eine Antwort. Er wußte, wo der Autodoc stand, und setzte sich in Bewegung. Wir folgten ihm dicht auf dem Fuß.
Ordaz drängte nicht. Er wartete geduldig, während Porter auf Janice hinabsah, sich eine Diagnose ausdrucken ließ und diese anschließend gründlich prüfte. Danach schien er ein wenig ruhiger, und seine Gesichtsfarbe kehrte wieder zurück. Er drehte sich zu Ordaz um und fragte: »Was ist passiert?«
»Mister Porter, was wußten Sie über Doktor Sinclairs letztes Projekt?«
»Sie meinen den Zeitkompressor? Ja … Er hatte ihn im Wohnzimmer aufgebaut, als ich gestern Abend herkam … genau dort, in diesem Kreis aus totem Gras. Besteht eine Verbindung?«
»Wann waren Sie hier?«
»Oh, das war gegen sechs. Wir nahmen ein paar Drinks, und dann zeigte mir Onkel Ray seine Maschine. Er hat nicht viel geredet, sondern nur demonstriert, wozu sie in der Lage ist.« Porter entblößte seine blitzend weißen Zähne. »Sie hat funktioniert! Dieses Ding kann die Zeit komprimieren! Man kann sein ganzes Leben darin verbringen, und hier draußen vergehen nur zwei Monate! Ihn in diesem Feld zu beobachten, wie er sich bewegte … es war, als würde man versuchen, einen Kolibri zu verfolgen! Er zündete ein Streichholz an …«
»Wann sind Sie von hier aufgebrochen?«
»Gegen acht. Wir aßen in Czillers Irish Coffee House zu Abend, und dann … hören Sie, was um alles in der Welt ist hier passiert?«
»Es gibt ein paar Dinge, die wir zuerst wissen müssen, Mister Porter. Waren Sie und Janice Sinclair den ganzen Abend über zusammen? Waren vielleicht noch andere Personen zugegen?«
»Selbstverständlich. Wir aßen alleine zu Abend, und dann
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