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Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Ringwelt 08: Der kälteste Ort

Titel: Ringwelt 08: Der kälteste Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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ein langer Finger und ein flacher, abgespreizter Daumen. An beiden Füßen waren keine Zehen zu erkennen. Das Ding lag mit dem Gesicht nach unten.
    Der Gegenstand, der jetzt vollständig freigelegt war, wies mehr erkennbare Einzelheiten auf. Aber die Einzelheiten ergaben keinen Sinn. Dicke, gebogene Metallstreben, dünne, verworrene Drähte, zwei riesige, zerbeulte Kreise, an deren ehemaligen Rändern etwas Verrottetes herabhing – und dann klickte es in Henrys Fantasie; die gleiche visuelle Begabung hatte ihm früher zu den Einsern in Topologie verholten, und er sagte: »Es ist ein Fahrrad.«
    »Du hast den Verstand verloren.«
    »Nein, schau her. Die Räder sind zu groß, und …«
    Das Fahrrad war auf absurde Weise verdreht, und die Räder besaßen einen Durchmesser von fast drei Metern. Der Sattel war winzig, und die Kette war durch ein Getriebesystem ersetzt. Das Getriebe hatte eine extrem kleine Übersetzung. Der Sattel stieß beinahe ans Hinterrad, und an der Vorderradnabe war eine Gabelscheide befestigt, die jetzt nur noch ein verbogenes Stück Schrott war. Irgendetwas hatte das Fahrrad zerdrückt wie eine knitterfeste Zigarrenschachtel in der Hand eines starken Mannes, und dann hatte die Salpetersäure dem Metall den Rest gegeben.
    »Also gut, es ist ein Fahrrad«, sagte Chris. »Es ist ein Salvador-Dali-Fahrrad, aber immerhin ein Fahrrad. Sie müssen uns ziemlich ähnlich gewesen sein, was? Fahrräder, Steinbrunnen, Schriftzeichen …«
    »Kleidung.«
    »Wo!«
    »Es muß welche vorhanden gewesen sein. Er ist um den Torso herum weniger verwittert, siehst du? Man kann die Falten in seiner Haut erkennen. Er muß geschützt gewesen sein, bevor die Kleider verrotteten.«
    »Vielleicht. Irgendwie macht er unsere Theorie von der untergegangenen Rasse zunichte, stimmt’s? Er kann unmöglich älter als ein paar tausend Jahre sein. Eher ein paar hundert.«
    »Dann hat er schließlich doch Salpetersäure getrunken. Nun, damit können wir unsere Diamantenmine vergessen, Partner. Es muß lebende Verwandte von ihm geben.«
    »Wir können uns nicht darauf verlassen, daß sie uns allzu ähnlich sind. Die Sachen, die wir entdeckt haben – Kleidung, Schriftzeichen, Brunnen –, das alles können Dinge sein, die zu erfinden jedes intelligente Wesen gezwungen sein kann. Und eine parallele Entwicklung könnte den aufrechten, zweibeinigen Gang erklären.«
    »Parallele Entwicklung?« echote Henry.
    »Wie das Oktopusauge. Es stimmt in seiner Struktur fast vollkommen mit dem menschlichen Auge überein. Und doch ist ein Oktopus nicht im entferntesten menschlich. Nun ja, versuchen wir, die Mumie aufzuheben.«
    Jeder Archäologe hätte sie in diesem Augenblick kaltblütig niedergeschossen.
    Die Mumie war leicht und ausgetrocknet wie Kork, doch zeigte sie keinerlei Anzeichen, in den Händen der Männer zu Staub zu zerfallen. Sie banden ihren Fund vorsichtig auf dem Gepäckträger fest und bestiegen das Motorrad. Langsam und behutsam fuhr Chris zurück.
    Chris stand auf der ersten Stufe der Leiter und rückte die Mumie auf seiner linken Schulter zurecht. »Wir müssen ihn vor dem Start mit einer Plastikschicht besprühen«, sagte er. »Haben wir Plastikspray an Bord?«
    »Ich kann mich nicht erinnern, welches gesehen zu haben. Wir sollten lieber jede Menge Bilder machen, falls er doch zerfällt.«
    »Genau. In der Kabine ist eine Kamera.« Chris begann, die Leiter hinaufzuklettern, und Henry folgte ihm. Sie brachten die Kostbarkeiten ohne Zwischenfälle bis zur Luftschleuse.
    »Ich habe mir Gedanken gemacht«, erklärte Henry. »Die Salpetersäure war zwar nicht gerade verdünnt, aber sie enthielt Wasser. Vielleicht ist der Stoffwechsel des Burschen in der Lage, das Wasser von der Salpetersäure zu trennen.«
    »Einleuchtender Gedanke.«
    Im Inneren der Landefähre legten sie die Mumie behutsam auf einen Stapel Decken und machten sich auf die Suche nach der Kamera. Nach fünf Minuten ergebnislosen Herumstöberns schlug Chris vorsätzlich mit der Stirn gegen die Wand. »Ich habe sie gestern Abend mitgenommen, um den Sonnenuntergang zu fotografieren. Sie ist im Laderaum.«
    »Dann geh und hol sie.«
    Beide Männer verschlossen wieder ihre Helme. Henry folgte Chris in die Luftschleuse und sah ihm nach, als er die Leiter hinabstieg. Als Chris nach wenigen Augenblicken aus dem Frachtraum zurückkehrte, kletterte er, den Riemen der Kamera über die Schulter gehängt, wieder herauf.
    »Ich habe mir auch Gedanken gemacht«, sagte er, und

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