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Ringwelt 09: Ein Geschenk der Erde

Ringwelt 09: Ein Geschenk der Erde

Titel: Ringwelt 09: Ein Geschenk der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Niven
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sorgfältig darauf achtete, keine unnötige Erschütterung zu verursachen.
    Die Gestalt im Sarg rührte sich nicht. Sie war eingewickelt wie eine Mumie – eine Mumie mit einer Schnauze. Die ›Schnauze‹ war eine Ausbeulung über Mund und Nase: das Atemgerät. Ähnliche Wülste waren auch über den Ohren zu sehen. Die Arme waren vor dem Bauch übereinander geschlagen wie bei einer Zwangsjacke.
    Der Vollstreckungspolizist blickte für einen langen Moment auf die Gestalt hinab. Als er sich wieder umdrehte, wirkte er ein wenig verstohlen. Aber er war allein, und keine Schritte hallten durch die Gänge.
    Aus dem Kopfstück des Sargs ragte ein Rohr mit einem weichen Verschluß aus einem schwammähnlichen Material. Der Polizist öffnete den Verschluß und sagte leise:
    »Keine Angst. Ich bin ein Freund. Ich werde dich schlafen legen.«
    Er löste die weiche Bandage um Pollys Arm. Dann zog er seine Pistole, hielt sie an Pollys Arm und drückte ab. Ein halbes Dutzend roter Tropfen erschien auf der Haut, doch das Mädchen rührte sich nicht. Der Mann konnte noch nicht einmal sicher sein, ob sie ihn gehört oder die Nadeln gespürt hatte.
    Er schloß den Deckel wieder und stopfte den Verschluß in die Sprechröhre.
    Er schwitzte, während er beobachtete, wie die Anzeigen sich veränderten. Kurz darauf zog er einen Schraubenzieher aus der Tasche und machte sich damit an der Rückseite der Anzeigen zu schaffen. Nachdem er fertig war, zeigten alle acht Anzeigen genau das gleiche an wie in dem Augenblick, da er den Raum betreten hatte.
    Die Crewmitglieder logen. Sie behaupteten, Polly Tournquist sei wach und könne sich nur nicht bewegen; sie sei bei Bewußtsein, doch jedes sinnlichen Stimulus beraubt. Sie behaupteten, sie würde immer wahnsinniger. In Wirklichkeit schlief Polly Tournquist jedoch, und das würde sie auch noch die restlichen acht Stunden von Lorens Schicht tun.
    Loren wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und setzte sich. Er mochte es nicht, solche Risiken einzugehen, doch es war notwendig. Das Mädchen wußte vermutlich etwas Wichtiges, sonst wäre es nicht hier. Jetzt würde sie zumindest noch acht Stunden länger durchhalten können.
     
    Der Mann, den sie in den Operationssaal der Organbank schoben, war bewußtlos. Es war der Mann, den Jesus Pietros Männer am Selbstzerstörungsschalter gefunden hatten, einer von jenen, die heute Nachmittag verhört worden waren. Jesus Pietro war fertig mit ihm: Der Fall war verhandelt, und man hatte ihn verurteilt. Doch dem Gesetz zufolge lebte er noch immer – eine Formalie, weiter nichts.
    Der Operationssaal war groß, und es ging sehr geschäftig zu. An einer langen Wand standen zwanzig Lebenserhaltungstanks auf Rädern, damit man die medizinischen Vorräte einfacher von einem Raum in den anderen transportieren konnte. An einer Reihe von Operationstischen arbeiteten Ärzte und Krankenpfleger sorgfältig und effizient. Es gab Kältebäder: offene Tanks mit einer Flüssigkeit, die konstant auf zehn Grad Fahrenheit gehalten wurde. Neben der Tür stand ein großer Tank, der zwanzig Gallonen einer blaßgelben Flüssigkeit enthielt.
    Zwei Krankenpfleger schoben den Verurteilten in den Operationssaal, und sofort injizierte man ihm eine Dosis der blaßgelben Flüssigkeit. Dann wurde der Mann neben eines der Kältebäder geschoben. Eine Frau trat herbei, um ihren Kollegen zu helfen. Sorgfältig legte sie dem Mann eine Atemmaske an. Die Krankenpfleger kippten die Rollbahre, und der Verurteilte glitt geräuschlos in das Kältebad.
    »Das ist der letzte«, sagte einer. »O Mann, bin ich fertig.«
    Die Frau betrachtete den Krankenpfleger voller Sorge, doch diese Sorge war nur äußerlich – eine Maske. Dennoch reagierte sie auf die fast völlige Erschöpfung der beiden Männer. »Lassen Sie es gut sein«, sagte sie. »Morgen dürfen Sie schlafen, solange Sie wollen. Wir brauchen Sie nicht.«
    Wenn sie diesen Verurteilten hier erst einmal verarbeitet hätten, würden die Organbanken ohnehin bis oben hin voll sein. Juristisch gesehen lebte der Verurteilte noch; doch seine Körpertemperatur sank rapide, und sein Herzschlag verlangsamte sich. In gut zwei Stunden würde er theoretisch tiefgefroren sein, aber die blaßgelbe Flüssigkeit würde seine Organe davon abhalten zu erstarren.
    Juristisch gesehen lebte er noch, und tatsächlich waren in der Vergangenheit schon Verurteilte völlig unversehrt wieder zum Leben erweckt worden, weil man sie erst an diesem Punkt der Behandlung

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