Ringwelt 10: Hüter der Ringwelt
Paranoia gelandet? War das in der Nähe des Großen Ozeans, wo die erste Expedition Teela Brown zurückgelassen hat?«
Auch das hatte Louis noch nicht entschieden. »Kann ich nicht sagen.«
»Junge, du scheinst uns überhaupt nichts anzubieten zu haben«, meinte Roxanny Gauthier jetzt. »Was möchtest du denn von uns wissen? Hat Chiron dir gesagt, was für Fragen du stellen sollst?«
»Er wollte wissen, ob die Ringwelt sich wieder erholen wird. Ich sehe schon, dass die Bruchstelle sich selbst repariert. Aber was könnt ihr uns über den Randzonenkrieg erzählen? Ist der bald vorbei?«
»Das bezweifle ich«, entgegnete Roxanny.
»Oder wird der so groß und gewalttätig werden, dass alles zerstört wird?«
»Das muss nicht geschehen«, gab sie mit fester Stimme zurück.
Oliver lachte. Verärgert blickte Roxanny sich um, und Oliver sagte: »Mir ist nur gerade ein Gedanke gekommen. Wie alt bist du, Luis?«
Louis hatte eigentlich beabsichtigt, sich als Dreißigjährigen auszugeben, aber die beiden ARMs schienen zu glauben, er habe gerade erst die Pubertät hinter sich gebracht. Aus irgendeinem Grund freute ihn das. Tanj, warum denn nicht? Er sagte: »Achtzig Falans und ein bisschen.«
»Und ein Falan ist …?«
»Zehn Drehungen des Himmels.«
»Also ungefähr fünfundsiebzig Tage? Ringwelt-Tage mit je dreißig Stunden?« Oliver flüsterte etwas in einen Taschencomputer, der deutlich größer war als die abgespeckte Version für Zivilisten. »Du bist ungefähr zwanzig Jahre alt – nach Erdzeitrechnung. Ich bin sechsundvierzig. Roxanny?«
»Ich bin einundfünfzig«, erwiderte diese, ohne zu zögern.
»Wir nehmen natürlich Boosterspice. Das verhindert, dass wir sichtbar altern. Was mir gerade durch den Kopf gegangen ist«, fuhr Oliver Forrestier fort, »ist, dass das hier, von deiner Mutter abgesehen, die erste Menschenfrau ist, die du zu sehen bekommen hast.«
Roxanny lächelte zögerlich. Und Louis schoss das Blut ins Gesicht, weil ihm schlagartig klar wurde, dass er Roxanny Gauthier schon viel zu lange angestarrt hatte, dass er sich näher zu ihr gesetzt hatte, als es selbst in diesem beengten Quartier notwendig gewesen wäre, dass er sie nicht gleichzeitig anschauen und auch noch sinnvolle Dinge hervorbringen konnte. Die abgestandene Luft hier musste voller Pheromone sein … auch denen von Roxanny und Oliver. Und da Oliver der erste männliche Mensch war, den er seit mehr als zwanzig Jahren sehen oder riechen konnte – und an Bord der Snail Darter war nicht genug Platz für eine Dusche –, war es nicht verwunderlich, wenn Louis zugleich spitz war und sich bedroht fühlte.
»Tut mir leid«, sagte er und rückte einen Zollbreit von der Frau ab.
Ihm ging durch den Kopf, dass Einschüchterung viele verschiedene Formen annehmen konnte. Sie wollten etwas von Luis: Informationen, die Louis Wu zwar würde erfinden müssen, aber dennoch …
Roxanny lachte gelassen. »Macht nichts! Luis, würdest du dir gerne mal die Snail Darter ansehen? Akolyth, wir können dich nicht mit an Bord nehmen. Dort ist es einfach zu eng. Aber Luis kann dir ja hinterher alles erzählen.«
Hanuman blickte Louis in die Augen, sagte aber nichts. Wembleth und Akolyth hatten ein stockendes Gespräch begonnen. Wembleth fand den Kzin faszinierend. Louis schloss seinen Gesichtsschutz und folgte den ARMs hinaus.
In dem Schiff war es schrecklich eng.
Um eine Säule in der Mitte waren drei Sitze angebracht. Einer der Sitze war besetzt. Neben der Luftschleuse befand sich eine Nische, in die wohl das Zelt gehörte, das jetzt gerade verwendet wurde. Ein Loch im Boden führte in einen Raum, der gerade einem Mann Platz bot: der Waffen- und Kommunikationsraum.
Roxanny ging als Erste an Bord. Sie nahm auf dem zweiten Sitz Platz. »Entität Luis Tamasan, darf ich dir ’Tec-2 Claus Raschid vorstellen? Claus, Luis«, sagte sie. »Nicht ganz ein Eingeborener.«
Claus drehte sich herum und streckte Louis die Hand entgegen. Er war dunkelhäutiger als Roxanny, noch höher gewachsen als Oliver, und sein Arm war auffallend lang. »Luis, ich bin der Pilot. Setz dich hierher!«
Louis hatte gehofft, allein mit Roxanny sprechen zu können oder auch allein mit Oliver. Sie waren beide mitgekommen, ein bisschen zu schnell einer Meinung für Louis’ Geschmack, und hatten Akolyth und Wembleth (und Hanuman) allein im Zelt zurückgelassen.
Louis setzte sich in den dritten Sitz. Er spürte, wie sich der Sitz verstellte, sich an seine Körpergröße, sein
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