Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
Nessus’ ehemaliger Kabine näherte, klappte Kirsten ungläubig der Unterkiefer herunter. Eine Explosion hatte das gesamte Innere zerstört.
Nachdem sie stundenlang bis an ihre Leistungsgrenze gearbeitet hatten, um eine gewisse Ordnung an Bord des Schiffes wiederherzustellen, lag Kirsten nun in ihrer Koje und war kurz davor einzuschlafen. Jetzt hatte sie begriffen, warum Eric so anders aussah als früher. Es lag nicht nur an dieser unendlichen Trauer in seinem Blick.
Die aufwändig geflochtenen Zöpfe und die bunten Farben im Haar – Spuren des Versuchs, die Frisuren der Bürger nachzuahmen, dem Eric schon so lange gefrönt hatte – waren verschwunden.
Von Vergötterung über Zweifel zu Zorn und Entsetzen. Kirsten konnte sich nicht vorstellen, wie aufgebracht Eric sein musste.
Und sie wurde den Gedanken nicht los, die Bürger könnten genau das eines Tages bereuen.
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
Julian Forward hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Hydranten: Er war klein und dick. Seine Arme waren so kräftig wie bei anderen Menschen die Beine, seine Beine hingegen hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit massiven Säulen. Forward war ein Jinxianer, und bei Jinxianern kam es immer auf Körperkraft an. Auf einer Welt, auf der fast das Doppelte der Erdschwerkraft herrschte, war das nur sinnvoll.
Nessus war sehr froh darüber, tausende von Meilen weit entfernt zu sein.
Neugierig und nichts ahnend spähte Forward in die verborgene Kamera. Als führten seine Augäpfel ein Eigenleben, wichen sie immer wieder von parallelen Blickachsen ab. »Interessant«, sagte er schließlich. Kurz verließ er den Raum. Mit einem Besen in der Hand kehrte er zurück und schob ihn vorsichtig in die Transferkabine. Mit einem schiefen Grinsen ließ Forward das Gerät los. Dann betrat er die Kabine und hob das Päckchen auf, das Nessus geschickt hatte.
Der ist ja richtig clever, dachte Nessus. Genauso schnell wie Kirsten. Forwards Verstand war von der Extradimensionalität des Päckchens sofort zu Misstrauen allen Transferkabinen gegenüber gesprungen, und von dort weiter zu der Erkenntnis, dass eine Entführung mithilfe der Teleportationsgerätschaften, wäre sie denn beabsichtigt gewesen, wohl ohne Vorwarnung erfolgt wäre.
Optiken, die weit über das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges hinausgingen, rekonstruierten die ganze Szenerie alleine daraus, welchen verschlungenen Weg das Licht bis in das Innere dieses Päckchens zurücklegte. Nessus schaute zu, wie Forward das Objekt in einen anderen Raum hinübertrug. Das nächstgelegene Fenster bot einen atemberaubenden Blick auf das Kolosseum. Andere Fenster hielten ähnlich beeindruckende Ansichten des Grand Canyon, der Chinesischen Mauer und der Pyramiden von Gizeh. Überall waren Kartons aufgestapelt, einige davon standen immer noch offen – das verschandelte den simulierten Ausblick dieses Raumes doch sehr.
Nicht alles im Leben von Julian Forward lief glatt.
»Sagen Sie Bescheid, wenn Sie loslegen wollen.« Forward setzte sich auf das Sofa, die Beine auffallend breit gespreizt, und blickte geradewegs Nessus’ Päckchen an. Immer noch bewegten sich die Augäpfel anscheinend völlig unabhängig voneinander. »Sie haben meine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
»Sie sind sehr scharfsinnig, Dr. Forward«, begann Nessus.
Forward lächelte. »Sie haben eine sehr schöne Stimme. Transferieren Sie hierher, damit ich Sie einmal anschauen kann.«
»Sie sind sehr ruhig für einen Mann in Ihrer Lage.«
Forward legte die Fingerspitzen seiner Hände gegeneinander und führte die Zeigefinger an die Lippen. »Ein Tesserakt ist ein außergewöhnliches Geschenk, nur um meine Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Ihr Ruhm in astrophysikalischen Kreisen hat die meine erregt. Aber: ›Tesserakt‹? Dieser Ausdruck ist mir nicht geläufig«, heuchelte Nessus. Es sollte ein kleiner Test sein.
»Ein vierdimensionaler ›Würfel‹. Modernere kosmologische Theorien arbeiten mit zusätzlichen Raumdimensionen – jenseits derer, die bewusst wahrzunehmen wir in der Lage sind.« Forward tätschelte das Tesserakt; seine Finger wirkten sonderbar verbogen, als sie in das Innere dieses simulierten Raumes eindrangen. »Eine dieser Dimensionen auf makroskopischer Ebene zu manifestieren – das ist außergewöhnlich. Und selbstverständlich sind Transferkabinen irgendwie in der Lage, diese verborgenen Dimensionen zu erreichen, um die Teleportation überhaupt zu ermöglichen.«
Natürlich hatte er
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