Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
Stadt, die ungleich größer war als jede Siedlung in Arcadia. Wie oft Kirsten diese Welt auch zu Gesicht bekam, der Anblick lehrte sie immer wieder aufs Neue Demut.
»Sag Bescheid, wenn du damit fertig bist, nach oben zu starren«, keuchte Omar. Das Lächeln nahm seinem Tadel die Schärfe. »Selbst eine Bürger-Bank würde mir jetzt wahrscheinlich unendlich bequem vorkommen.«
»Oder ein gepolsterter Fußboden«, pflichtete Eric ihm bei. Nach einer Wanderung quer durch den Wald – fast fünfzehn Meilen weit! – waren sie wirklich zu Recht müde. Sie waren weiter marschiert, als es eigentlich vernünftig gewesen wäre, wenn man bedachte, dass sie erst am Nachmittag in Elysium angekommen waren. Wäre es wichtig gewesen, genau hierher zu kommen, dann wäre eine Stepperscheibe im Flughafen oder an einem anderen Schutzbunker, der ihrem Aufbruchsort etwas näher gelegen hätte, viel sinnvoller gewesen … für einen Bürger. Morgen, nach einem weiteren Marsch, noch etwas tiefer in den Wald hinein, würde niemand mehr vermuten, dass sie jemals hier gewesen waren. Außer …
»Morgen werden wir alle humpeln«, sagte Kirsten. »Wir lassen es ruhig angehen. Ich kenne mich mit Massagetechniken aus, und ich werde mich um euch beide kümmern.« Sie wartete auf das zustimmende Nicken ihrer Kollegen.
Das Öffnen der Tür ließ die Innenbeleuchtung aufflammen. Kirsten führte sie tiefer ins Innere. »Der gesamte Komfort von zu Hause, meine Freunde, und keinerlei Aufzeichnungen des Stepperscheiben-Systems.« Wurden eigentlich Aufzeichnungen darüber angefertigt, wer sich wann wohin teleportieren ließ? Kirsten wusste es nicht, und danach zu fragen mochte erst recht Misstrauen erregen.
Gequält verzog Eric das Gesicht und ließ seinen Rucksack fallen. »Mir tun Stellen am Körper weh, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass es da Muskeln gibt. Vielleicht hilft es ja, irgendetwas zu essen.«
»Schaden kann’s nicht«, gab Omar zurück. Er saß jetzt auf dem Fußboden, hatte beide Stiefel abgestreift und massierte sich den Fuß. »Außerdem: Alles, was wir jetzt essen, macht die Rucksäcke leichter.«
»Da hast du recht.« Eric machte sich daran, seinen Rucksack zu durchwühlen. »Kirsten, irgendwelche Sonderwünsche?«
»Wonach euch der Sinn steht«, erwiderte sie geistesabwesend. Wo war das Komm-Terminal? Es war doch völlig unmöglich, dass ein Bürger-Schutzbunker ohne ein Komm-Terminal auskommen sollte! »Vergesst aber nicht, sämtliche Verpackungen und allen Müll wieder einzusammeln!«
Das Terminal befand sich hinter ihr, unmittelbar neben der Tür. Hätte sie einen zweiten Kopf gehabt, hätte sie es früher gefunden. »Da ist es ja! Ich mach mich an die Arbeit.«
Die Fragen, die ihr immer wieder durch den Kopf gingen, ließen sich nirgends in Arcadia beantworten. Sie konnte ihre Mutmaßung nicht beweisen, und selbst wenn es dort tatsächlich irgendetwas gäbe … Wie wahrscheinlich war es, dass sie Geheimnisse aufdeckte, die Sven entgangen waren – und auch all den anderen Archivaren vor ihm? Nein, es ergab doch ungleich mehr Sinn, im öffentlichen Datennetz der Bürger nachzuschauen.
So lautete zumindest Kirstens Theorie. Und das hier war ihre Gelegenheit, diese Theorie zu überprüfen.
Kirsten verschränkte die Finger und ließ die Knöchel knacken. Erics gequälte Miene ließ sie grinsen. »Ich habe doch nur Hände. Und diese Tastatur ist für die Lippen von Bürgern gedacht.«
»Dann hat es also eine Tastatur für die Eingabe«, stellte Eric fest.
»Als Backup-System für die verbale Befehlseingabe, wie an Bord der Explorer.« Ein angenehmer Duft breitete sich aus. Fleischsuppe, dachte sie – aus einem selbsterhitzenden Behälter.
»Iss, Kirsten.« Omar streckte ihr eine geöffnete Dose entgegen. »Kommst du mit dem Terminal klar?«
Plötzlich bemerkte Kirsten, dass sie wirklich großen Hunger hatte. Ein Drittel des Inhalts dieser Dose verschlang sie, bevor sie Omar überhaupt eine Antwort gab. »Die ist genau wie Nessus’ Konsole an Bord der Explorer. Ja, damit kann ich umgehen.« Nachdem sie versuchsweise einen Knopf gedrückt hatte, flammte der Begrüßungsbildschirm auf, den sie erwartet hatte. »Willkommen im … HerdenNetz«, übersetzte sie. Nessus hatte entschieden, dass es einfacher war, seiner Mannschaft beizubringen, die Sprache der Bürger zu lesen, als die gesamte Schiffsdatenbank ins Englische zu übertragen. »Wir werden schon bald wissen, ob ich diese Sprache hier genügend
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