Ringwelt 12: Weltenwandler
ganzer Körper schmerzte, und dann sah er, dass er weit von dem Felskamm fortgeschleudert worden war, hinter dem er sich verborgen hatte. Als er sich nun umblickte, konnte er erkennen, dass die Klaue des Verräters lautlos und majestätisch über dem Felskamm aufstieg; langsam drehte sie sich, dann krachte sie auf die gefrorene Ebene hinab. Eine Seite des Schiffes war rotglühend heiß. Umgeben von immer dichter werdendem Wasserdampf versank das Wrack nach und nach in der Eisdecke, aus der es vor so kurzer Zeit erst wieder aufgetaucht war.
Niemand an Bord konnte das überlebt haben.
Vorsichtig schlich sich Nessus näher heran. Die Außenluke der Luftschleuse war fort; der Aufprall hatte sie glatt abgerissen. Nur die Lichtkegel seiner Helmlampen erhellten jetzt die Luftschleuse; anscheinend hatte es die gesamte Innenbeleuchtung des Schiffes zerstört. Die Innenluke der Schleuse war geschlossen und sorgte dafür, dass im Schiffsinneren immer noch eine Atmosphäre bestand; Nessus musste eine Sicherheitsvorkehrung außer Kraft setzen, um in das Innere zu gelangen.
Er kämpfte gegen den heulenden Sturm an, als die Luft entwich, und schloss die Luke dann rasch wieder von der Innenseite. Das Heulen wurde schwächer, doch es hörte nicht ganz auf: Das Lebenserhaltungssystem mühte sich nach Kräften, die Luft zu ersetzen, die Nessus eben hatte entweichen lassen.
Methodisch durchsuchte Nessus Kabinen, Frachträume und Korridore, und er fand nicht das Geringste, bis er …
Eine weiträumig verschmierte Masse, die Nessus nur mit Mühe als die Überreste zahlreicher Kzinti erkannte, bedeckte die Wände des Raumes, in dem – daran erinnerte sich Nessus jetzt – sie alle befragt worden waren. Orangefarbenes Blut troff an den Wänden herab und bildete immer weitere Lachen. In der Mitte des Raumes, durch das Polizei-Haltefeld mitten in der Luft gehalten, hingen Jason und Anne-Marie.
Beide waren bewusstlos, und ganz offensichtlich fiel es ihnen schwer, überhaupt zu atmen. Dieses Mal musste das Haltefeld auch ihre Köpfe umfasst haben – was ein Glück war, sonst hätte der Aufprall ihnen das Genick gebrochen. Nessus versuchte, das Blutbad rings um sich zu ignorieren, während er versuchte, die Polizei-Haltefelder zu deaktivieren. Endlich fand er das entsprechende Steuerfeld. Jason und Anne-Marie sackten zu Boden.
Völlig erschöpft tat Nessus es ihnen gleich und wurde ebenfalls bewusstlos.
Die wohlbekannten Surr-, Klick- und Summlaute der Court Jester umgaben Nessus von allen Seiten. In der vertrauten Sicherheit seiner Kabine, hinter einer verriegelten Luke, sog er aus einem tragbaren Synthesizer mit heftigen Zügen künstliche Herdenpheromone in seine Lungen.
Dann kauerte er sich zu einer winzigen Kugel zusammen.
Der Kzin in der Nachbarkabine war die geringste von Nessus’ Sorgen. Tiefgefroren, wie er war, hatte Telepath den Absturz überlebt. Die Behörden von Jinx, die sie in wenigen Tagen erreichen sollten, würden darüber zu entscheiden haben, wann er wieder aufgetaut werden sollte. Nein, ein anderer Kzin ging Nessus nicht mehr aus dem Kopf …
Wenn er doch nur dieses befriedigende Knacken vergessen könnte, mit dem seine Hufe Chuft-Captain die Rippen zerschmettert hatten!
Deutlich beunruhigender war die Nachricht, die Nessus würde absenden müssen – sobald er alleine und in Sicherheit an Bord der Aegis wäre. Gewiss, der Schatten des Sonnensystems aus Antimaterie hing nicht mehr drohend über der Flotte. Stattdessen gab es dort jetzt den ungleich größeren Schatten der allmächtigen Outsider.
Gewaltige Ereignisse standen bevor. Nessus zitterte am ganzen Leib und wünschte sich, wieder auf Hearth zu sein. Dorthin gehörte er; er musste an den bevorstehenden Debatten teilnehmen.
Doch bevor er nach Hause zurückkehren konnte, musste er eine noch dringendere Aufgabe erfüllen …
OFFENBARUNGEN
ERDJAHR 2658
KAPITEL 57
Sigmund erwachte: Er sprühte vor Energie, er zitterte vom Trauma, und er war völlig orientierungslos.
Er lag flach auf dem Rücken, das Gesicht nur wenige Zentimeter von einer durchsichtigen Kuppel entfernt. Jenseits dieser Kuppel sah Sigmund nur Schwärze. Displays, die von der gekrümmten Plastahl-Kuppel reflektiert wurden, verhinderten, dass seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten.
Ich bin in einem Autodoc!
Sigmund wandte den Blick von dem Display ab, auf dem die Liste der bereits vorgenommenen Behandlungen kein Ende zu nehmen schien. Bilder – zu
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