Ringwelt 12: Weltenwandler
viele Bilder, allesamt entsetzlich und verwirrend – tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Er war schon einmal hier gewesen, oder nicht? Jetzt würde er aus dem Autodoc aussteigen und Feather kennen lernen … Das alles ergab überhaupt keinen Sinn! Wie sollte er sich denn an Feather überhaupt erinnern, wenn er sie erst noch kennen lernen musste?
Was ist das Letzte, woran ich mich erinnere?
Unerträgliche Schmerzen. Ein klaffendes Loch in seiner Brust. So etwas konnte ein Autodoc nicht reparieren …
Unfassbar laut dröhnte ihm eine weitere Erinnerung durch den Kopf: Beowulf Shaeffer erklärte Ander: »Dieses Ding hat mich neu erschaffen, mit nichts als einem abgetrennten Kopf!« Dieses Ding war: Carlos Wus Autodoc.
Jetzt ergriff die Wirklichkeit Sigmund mit aller Gewalt. Shaeffer, der versuchte, Ander mit diesem Wunder-Autodoc abzufinden. Ander, die rauchende Waffe immer noch in der Hand. Shaeffer, wie er ihn über das Videofon immer weiter anstarrte, während das Leben allmählich aus Sigmund wich.
Nur, dass ich nicht tot bin. Hat Beo mich gerettet? Hat er mich in Carlos’ Autodoc gerettet?
Jetzt schlug Sigmund auf den Panikknopf. Mit unendlicher Langsamkeit glitt die Kuppel zurück; Sigmunds Hektik machte ihr nicht das Geringste aus. Er kletterte aus dem Autodoc und stellte fest, dass er sich auf einer ganz gewöhnlichen Lichtung mitten in einem Wald befand. An einem mondlosen Himmel funkelten die Sterne. Die Konstellationen waren Sigmund nicht vertraut, aber er hatte auch nur noch den viel zu hell angeleuchteten Nachthimmel über Städten gesehen, seit er …
Auf Fafnir angekommen war! Diese Erinnerung war ihm fast entgangen. Wie vielen anderen mochte es ebenso ergehen? Sigmund zitterte, doch das hatte nichts mit der kühlen Nachtluft zu tun, die jetzt über seine nackte Haut strich. Das Rascheln eines jeden Blattes bedeutete für Sigmund plötzlich, dass sich ein Kzin anschlich.
Mehr, als Sigmund sich jemals irgendetwas gewünscht hatte, sehnte er sich jetzt danach, wieder auf der Erde zu sein.
Irgendjemand hatte ihn gerettet und weit von der Hauptstadt von Shasht fortgebracht. Dieser Jemand, ob es nun Beo war oder nicht, würde weder ihn noch den unfassbar wertvollen Autodoc einfach so zurücklassen. Diese Lichtung, so wenig sie Sigmund auch vertraut sein mochte, barg höchstwahrscheinlich keine unmittelbaren Gefahren.
Mit zwei tiefen, zittrigen Atemzügen zwang sich Sigmund ein wenig zur Ruhe. Während seine Augen sich nun allmählich an die Dunkelheit gewöhnten, blickte er sich um. Dann streifte er den schweren Morgenmantel über, der über das Fußende des Autodocs gelegt war.
»Gut. Sie sind also wach.«
Sigmund wirbelte zu der Stimme herum. Ein Mann, klein und untersetzt, das Haar zu einem langen Pferdeschwanz zusammengebunden, trat aus dem Wald heraus auf die Lichtung. Im Licht der Sterne konnte Sigmund weder sein Gesicht noch das Muster auf seinem Overall erkennen. Doch der Fremde schien unbewaffnet.
»Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie erschreckt habe«, sagte der Mann. »Mein Name ist Eric Huang-Mbeke. Bitte nennen Sie mich Eric. Darf ich Sie im Gegenzug einfach Sigmund nennen?« Die Worte kamen aus Erics Mund und zugleich auch, leicht verändert und geringfügig verzögert, aus einem Gerät, das dieser Eric am Gürtel trug: ein Translator.
»Hallo, Eric«, gab Sigmund vorsichtig zurück. Auch diese Worte veränderte das kleine Gerät sofort. »Können Sie das abschalten?«
Kurz machte sich Eric an dem Gerät zu schaffen – was genau, konnte Sigmund nicht erkennen. »Wie ist es jetzt?«, fragte Eric.
Ja, wie war es denn nun? Zugleich sonderbar vertraut und doch mit einem schweren Akzent, dachte Sigmund. Das war kein echtes Interspeak. Es war auch kein Spanglish. Was hatte es denn vorher gegeben?
Die Worte des Fremden erinnerten Sigmund fast an … Shakespeare im Central Park. »Sprechen Sie etwa Englisch?«
Weiße Zähne blitzten in der Dunkelheit auf. »Ganz genau.«
Nur war es jetzt nicht mehr ganz so dunkel wie vorhin, als er aufgewacht war. Jetzt konnte er erkennen, dass Erics Haut ungewöhnlich dunkel wirkte, fast ockerfarben, und die Lippen seines Gegenübers waren bemerkenswert voll. Sein Haar war schwarz, sein Blick grüblerisch und sehr stechend.
Mit dem Einbruch der Dämmerung regte sich auch schon das erste Leben im Wald. Jedes einzelne Geräusch ließ Sigmund zusammenfahren. Er dachte an Klapperschlangen, Pumas, Grizzlybären … und an Kzinti. »Sind wir hier
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