Ringwelt 12: Weltenwandler
internen Funkkanal eingestellt. »Sind denn hier alle wahnsinnig geworden?«
Eine schmale Reihe ARMs in Kampfmontur umringte die Demonstranten und erwartete weitere Befehle. Sigmund konnte sich einfach keinerlei Anweisungen vorstellen, die hier irgendwie sinnvoll hätten sein können. »Futz«, wiederholte er.
Krach. KRACH. Klirr. KRACH.
»Du brauchtest doch überhaupt nicht hier zu sein!«, fauchte Feather. Damit meinte sie: Du solltest doch überhaupt nicht hier sein. Weltweit waren die ARM-Büroräume fast leer, es wurde jeder Mitarbeiter gebraucht, um diesen weltweiten Ausbruch von Gewalt einzudämmen, doch als Kommandant einer Einheit wurde Sigmund als zu wichtig erachtet, sich selbst in Gefahr zu bringen.
Pech. Er ging dahin, wo sein Team war. An diesem Tag alleine bedeutete das: drei verschiedene Städte. Sigmund war sich nicht ganz sicher, aber er glaubte, sich im Augenblick in Chicago zu befinden. »Was denn, soll ich mir das alles hier entgehen lassen?« Ruhig hielt er die Menschenmenge im Auge.
»Ich bin froh, dass du hier bist«, setzte Feather fast unhörbar hinzu.
Weitere Flaschen wurden abgewehrt. Männer und Frauen schüttelten die Fäuste. Auf Plakaten und Schildern wurden ›Gerechtigkeit beim Nachwuchs‹ und ›Das Recht auf Kinder‹ gefordert. Tanj drauf, dachte Sigmund, die Welt ist doch jetzt schon übervölkert. Dieses Chaos war einfach nicht hinnehmbar. Und doch …
Feather schien seine Gedanken gelesen zu haben. »Natürlich ist das falsch.« Sie meinte die Unruhen. »Aber ist das, wofür sie hier eintreten, so falsch?«
Wäre es wirklich so falsch, wenn Feather und er ein Kind hätten?
Feather wartete nicht auf eine Antwort, vielleicht rechnete sie auch nicht damit, eine zu erhalten, und trat gegen einen Müllstapel, der in den geplünderten Büro- und Wohnräumen zurückgeblieben war. Sie stampfte auf ein bereits zerrissenes Gemälde und riss dessen vergoldeten Rahmen in Stücke. »Parasitäre Mistkerle! Holo-Kunstwerke sind noch zu gut für die! Und jetzt kaufen sie sich auch noch Babys.«
»… Bereit«, hörte Sigmund über seinen Kopfhörer, als ein weiterer Schrei von der Menschenmenge aufbrandete. Die Gruppe der Aufwiegler, die auf einem Lastschweber stand, hatte gerade irgendetwas über »Lotterien«, gebrüllt. Jetzt stimmte die Menschenmasse einen neuen Gesang an: »Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, Gerechtigkeit …«
Sigmund konnte den Gesang kaum übertönen. »Den Platz räumen!« Die Reihen richteten sich aus. Sigmund selbst verschränkte seinen Schild zu seiner Linken mit Feather, zu seiner Rechten mit Andrea Girard. Die zweite Reihe hielt die Schilde über ihre Köpfe. Sigmund hatte fast das Gefühl, ins Mittelalter zurückversetzt zu sein, vielleicht noch weiter in die Vergangenheit.
Krach. KRACH. KRACH.
Irgendetwas ging Sigmund durch den Kopf. Eine alte Erinnerung? Was auch immer es sein mochte, es musste warten. Jegliche Ablenkung konnte ihn hier das Leben kosten.
Eine nach der anderen stürzten Polizeidrohnen auf den Platz hinab; unverkennbar leuchtend gelb lagen sie zwischen dem Schutt. Sigmund erspähte alleine fünf. Eine oder zwei von ihnen mochten ja von Bierflaschen heruntergerissen worden sein – da hatten die Angreifer einfach nur Glück gehabt. Dass so viele auf einmal herabgestürzt waren, so kurz nacheinander, bedeutete, dass hier irgendwo ein Scharfschütze tätig war, mit einer ernstzunehmenden Waffe – wahrscheinlich einem Jagdgewehr. Sie mussten handeln und entschieden vorgehen, bevor diese Waffe noch gegen Menschen eingesetzt wurde. »Sauerstoff an«, kam die Anweisung über Funk. »Schlafgas in zehn Sekunden.«
Nicht einmal so viel Zeit blieb ihnen. Zwei Truppentransporter der ARM, jeweils mit einer vollständigen Einheit bemannt, standen jetzt über einem der angrenzenden Gebäude in der Luft; gleißend blinkten ihre Warnleuchten, und sie spien gewaltige Gaswolken aus. Sigmund verzog das Gesicht. Zwei Schweber reichten doch noch nicht einmal ansatzweise aus, um derartige Menschenmassen zu bändigen. Das war ja noch schlimmer, als überhaupt nichts zu tun!
Kreischend rannten die Demonstranten hin und her.
Wieder drang eine Anweisung aus Sigmunds Kopfhörer. »Auf mein Zeichen vorrücken!«
Vorrücken?! Ein ganzes Meer aus Menschen brandete jetzt über die Polizeiphalanx hinweg. Überall stürzten Menschen zu Boden: betäubt vom Gas, getroffen von den Stunnern der Drohnen oder einfach zu Boden getrampelt. Die dünne Reihe
Weitere Kostenlose Bücher