Ringwelt 12: Weltenwandler
besser so als …« – fast gegen seinen Willen blickte er zu dem übergroßen Abbild Nikes in seiner Kabine hinüber. Er hatte mehrere an Bord. Diese Aufnahme hatte er auf der Kundgebung der Experimentalisten-Partei angefertigt, kurz nachdem Nike ihm zum ersten Mal aufgefallen war. Bevor Nessus sich für das erste Kundschafterprogramm freiwillig gemeldet hatte, weil er hoffte, auf diese Weise Nikes Aufmerksamkeit zu erregen.
In einer deutlich unschuldigeren Zeit.
Nicht einmal Nikes Anblick vermochte Nessus noch zu beruhigen. Er fühlte sich einfach zu schuldig. Besser als was?, fragte er sich erneut. »Was hättest du denn gemacht, um unsere Sicherheit zu garantieren?«, fragte er Nikes Abbild. Welchen Völkermord zu begehen wärest du bereit gewesen? Auf der Erde, und auf wie vielen anderen Welten der Menschen noch?
Vielleicht war das ja ungerecht. Schließlich hatte Nike ja diesem deutlich friedlicheren Vorgehen zugestimmt.
Vor Nessus stand eine Schüssel mit Gräsern – er hatte sie nicht einmal angerührt. Ihm war der Appetit vergangen. Je länger er fort war, desto schwerer fiel es ihm zu glauben, dass Nike tatsächlich jemals wirklich etwas für ihn empfunden hatte. Das Ballett, die Party, die gemeinsam verbrachte Zeit … das alles war doch nur Liebedienerei gewesen, um ihn dazu zu bringen, wieder ins Solsystem zurückzukehren. Über eine derart weite Entfernung hinweg, und ganz alleine, waren Anweisungen alleine völlig bedeutungslos. Kundschafter mussten von ihrer Aufgabe vollkommen überzeugt sein, damit sie nicht zu viel Eigeninitiative an den Tag legten.
Sonderbarerweise hatte Achilles sich darüber geärgert, dass Nessus zurückgekehrt war. Es war bedeutungslos, dass Achilles niemals die Verantwortung für das Solsystem hatte übernehmen wollen; er sah es als persönlichen Affront an, dass sie jemand anderem übertragen worden war.
Und immer noch blickte Nike ihn an. »Warte nur«, sagte Nessus zu dem Hologramm. »Schon bald werde ich Beweise vorlegen können, dass die ARM wirklich gründlich abgelenkt ist. Und dann wirst du auch sehen, was für eine Überraschung ich für dich vorbereitet habe.«
Mit unsicheren Schritten schleppte sich Sigmund einen Flur im Hauptquartier der Vereinten Nationen hinab. Nur Schmerz- und eine gewaltige Dosis Aufputschmittel hielten ihn noch aufrecht. Feather ging neben ihm, murmelte immer wieder, wie unglücklich sie über seine Entscheidung war, und stützte ihn, wann immer er zu stürzen drohte.
Beide trugen sie immer noch die Schutzkleidung. Sie zogen einen ganzen Schwarm beunruhigter Bürokraten und schwere Schwaden Schlafgas hinter sich her, und schließlich erreichten sie eine Tür am Ende des Ganges. Auf dem Schild neben der gläsernen Doppeltür stand: Stellvertretende Unterstaatssekretärin für Verwaltungsfragen. Sigmund schleppte sich an lautstark protestierenden Mitarbeitern und Assistenten im Empfangsbereich vorbei, bis er das eigentliche Büro erreicht hatte. Hinter ihm ließ Feather lautstark die Tür zufallen.
Sangeeta Kudrin sprang aus ihrem Sessel auf. »Was ist passiert? Nein, vergiss die Frage. Du gehörst in einen Autodoc!«
Unaufgefordert ließ sich Sigmund auf ihr Sofa fallen. Er hätte jetzt lieber mit der Generalsekretärin persönlich gesprochen, doch Melenkamp befand sich derzeit nicht auf der Erde. Und um sich zu schützen, leitete er die meisten seiner Berichte ohnehin über Sangeeta an die Generalsekretärin weiter. »Erst muss ich Sie auf den neuesten Stand bringen.«
»Special Agent Filip, können Sie mir nicht Bericht erstatten?«, fragte Sangeeta.
»Das sollte man meinen.« Feather setzte sich neben Sigmund auf die Couch. »Nur dass er mir auch nicht erzählt, was ihm durch den Kopf geht.«
»Ich wär’ dann so weit«, sagte Sigmund ungeduldig.
»Entschuldigung«, antwortete Sangeeta schnell. »Worum geht es?«
»Die Aufstände.« Die Schmerzen in seiner Seite brachten Sigmund fast um. Wahrscheinlich eine gebrochene Rippe, dachte er. Bevor er gerettet worden war, hatte ihm irgendjemand noch einen heftigen Tritt knapp unterhalb der Schutzweste verpasst. Sein Medikit enthielt noch weitere Schmerzmittel, aber wenn er die Dosis noch weiter erhöhte, würde er keine zusammenhängenden Sätze mehr herausbringen. »Dahinter stecken die Puppenspieler.«
In diesem Monat gehörten zu Sangeetas Körperbemalung stilisierte Blitze auf den Wangen und dramatisch hochgezogene, falsche Augenbrauen. Aber dennoch gelang es ihr, noch
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