Riptide - Mörderische Flut
mir keiner gesagt, daß ich eine Heizdecke mitnehmen soll? Und der Gestank ist auch zum Kotzen.«
»Wir haben zwar leicht erhöhte Methan-und Kohlendioxidwerte«, sagte Neidelman mit Blick auf sein Gerät, »aber es besteht kein Grund zur Besorgnis.«
»Trotzdem hat Kerry recht«, meinte Bonterre und rückte die Feldflasche an ihrem Gürtel zurecht. »Es ist wirklich kalt.«
»Achteinhalb Grad über Null«, erklärte Neidelman knapp. »Sonst noch irgendwelche Beobachtungen?«
Niemand sagte ein Wort.
»Dann lassen Sie uns weitergehen. Von jetzt an werden wir wohl auf noch mehr Seitenstollen stoßen, deshalb schlage ich vor, daß wir uns beim Setzen der Sensoren abwechseln. Da Mr. Wopner alle kalibrieren muß, wird er nun das Schlußlicht bilden. Wir warten dann auf der Dreißig-Meter-Plattform auf ihn.«
Hier unten hatte sich an den Querbalken eine unglaubliche Menge Müll verfangen: alte Kabel, Ketten, Transmissionsriemen, Schläuche, ja sogar verrottete Lederhandschuhe. Die Gruppe kam an mehreren Öffnungen in der Holzverschalung des Schachtes vorbei, die den Eingang zu weiteren Seitenstollen markierten. Neidelman krabbelte in den ersten hinein, um fünf Meter weit drinnen einen Sensor anzubringen. Den nächsten übernahm Bonterre, und dann war Hatch an der Reihe.
Vorsichtig gab er sich ein paar Meter mehr Sicherungsseil, bevor er von der Leiter in den Tunnel trat, wo seine Füße sofort im Schlamm versanken. Der Stollen, der in einem steilen Winkel nach oben führte, wies grobbehauene Wände auf und war bei weitem nicht so sorgfältig ausgepölzt wie der Hauptschacht. Vermutlich war er auch jüngeren Datums als dieser. Gebückt ging Hatch ein paar Meter in den engen, niedrigen Tunnel hinein und blieb dann stehen. Er nahm einen piezoelektrischen Sensor aus seiner Umhängetasche und schlug ihn mit einem kleinen Hammer in die von Kalk überkrustete Erdwand. Dann tastete er sich zum Hauptschacht zurück, wo er eine kleine, fluoreszierende Markierung für Wopner anbrachte.
Als Hatch wieder auf die Leiter stieg, hörte er ein lautes Ächzen von einem der Querbalken in der Nähe, dem eine ganze Serie von weiteren Knackgeräuschen folgte.
»Das ist nichts«, hörte er Neidelmans Stimme über seinen Helmkopfhörer. »Die Grube setzt sich bloß.« Der Kapitän hatte gerade einen weiteren Sensor angebracht und stieg hinunter zum nächsten Seitentunnel. Er war noch nicht weit gekommen, als erneut ein Geräusch - scharf und irgendwie menschlich klingend -aus einem anderen Stollen drang.
»Was, zum Teufel, war denn das?« fragte Wopner, der inzwischen zurückgefallen war.
»Dasselbe wie vorher«, antwortete Neidelman. »Das alte Holz muß erst wieder zur Ruhe kommen.«
Es folgte ein Laut, der sich wie ein unterdrückter Schrei anhörte, gefolgt von leisem Wimmern.
»Das ist kein Holz, verdammt noch mal!« sagte Wopner. »Das klingt wie etwas Lebendiges.«
Hatch sah hinauf zu dem Programmierer, der ein paar Meter über ihm stand und beim Kalibrieren eines Sensors innegehalten hatte. Wie versteinert stand er da, seinen Minicomputer in der einen Hand und den Zeigefinger der anderen über der Tastatur in der Luft schwebend, als deute er auf seine eigene Handfläche.
»Leuchten Sie mir mit Ihrer Lampe nicht in die Augen!« zischte Wopner. »Je schneller ich diese Mistdinger hier kalibriert habe, desto rascher komme Ich aus diesem Scheißloch wieder raus.«
»Sie wollen doch bloß zurück zum Schiff, damit Christophe ihnen beim Entschlüsseln des Tagebuchs nicht die Schau stiehlt«, ließ sich Bonterres gutgelaunte Stimme aus der Sprechanlage vernehmen. Sie trat gerade aus einem Seitenstollen heraus und stieg auf der Leiter weiter nach unten.
Kurz vor der Dreißig-Meter-Plattform hielt Neidelman an und zeigte auf den Eingang eines Nebentunnels. Waren die bisher gefundenen Stollen nur schlecht ausgebaut und manchmal sogar halb eingefallen gewesen, so ließ dieser dieselbe konstruktive Sorgfalt erkennen, mit der auch der Hauptschacht der Grube gebaut war.
Bonterre leuchtete In die quadratische Öffnung. »Dieser Tunnel ist mit Sicherheit ein Teil der ursprünglichen Wassergrube«, erklärte sie.
»Und wozu hat er gedient?« fragte Neidelman, während er einen Sensor aus seiner Umhängetasche nahm.
Bonterre beugte sich in den Tunnel hinein. »Das Ist schwer zu sagen, aber man kann genau erkennen, daß Macallan eine natürliche Spalte im Fels für seine Konstruktion verwendet hat.«
»Mr. Wopner?« fragte Neidelman
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