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Riptide - Mörderische Flut

Riptide - Mörderische Flut

Titel: Riptide - Mörderische Flut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Schädel sich noch immer eine Baseballmütze mit dem Emblem der Red Sox befand. Darunter quollen Büschel von braunen Haaren hervor, und am Brustkorb hingen die Fetzen eines Hemdes. Darunter entdeckte Hatch eine Kattunhose, die ein Gürtel an den Beckenknochen hielt. Aus einem der kurzen Hosenbeine ragte ein knöchernes Knie. Der rechte Fuß des Skeletts steckte in einem roten Baseballstiefel, während der linke sich direkt unter der Steinplatte befand, die Schuh und Fuß zu einem Durcheinander aus Knochen und gummiertem Leinen zerbrochen hatte.
    Als würde seine Wahrnehmung gar nicht zu ihm gehören, bemerkte Hatch, daß Arme und Beine des Skeletts massive Frakturen aufwiesen. Außerdem hatte die Steinplatte die Rippen aus der Brustplatte gepreßt und den Schädel zerquetscht. Sein Bruder -denn es konnte sich bei dem Skelett ja nur um Johnny handeln -war in eine ähnliche Todesfalle geraten wie Kerry Wopner vor wenigen Tagen. Im Gegensatz zu dem Computerexperten hatte Johnny allerdings keinen Helm aufgehabt und war deshalb wohl sehr viel schneller gestorben als dieser. Zumindest konnte Hatch sich das einreden.Er ging in die Hocke, streckte die Hand aus und fuhr damit zärtlich über den Schirm der Baseballmütze. Johnny hatte sie am liebsten gemocht, weil Jim Lonbog sie persönlich signiert hatte. Ihr Vater hatte sie an dem Tag, an dem die Red Sox die Meisterschaft gewonnen hatten, auf einer Reise nach Boston für Johnny gekauft. Hatchs Finger wanderten von der Mütze zu einer Haarlocke, strichen über den Unterkieferknochen hinunter auf den zerquetschten Brustkorb und dann die Armknochen entlang bis zu Johnnys skelettierter Hand. Dabei nahm er alle Einzelheiten mit großer Distanz, dennoch aber mit jener merkwürdigen Intensität wahr, wie er sie sonst nur aus Träumen kannte und die jedes Detail mit unerbittlicher Klarheit in sein Gedächtnis brannte.
    Noch lange blieb Hatch in der feuchten Grabkammer sitzen und ließ die kalten, vogelähnlichen Fingerknochen seines Bruders nicht aus seiner Hand. Reglos lauschte er der Stille, die Ihn und Johnny umgab.

38
    Im Dingi der »Plain Jane« umrundete Hatch Cranberry Neck und steuerte auf die Mündung des Passabec River zu. Während er das kleine Boot näher an die Küste heranlenkte, warf er einen Blick über die Schulter auf Burnt Head, das drei Meilen hinter Ihm wie ein rötlicher Streifen am südlichen Horizont lag. Die Kühle der frühmorgendlichen Spätsommerluft barg bereits einen herbstlichen Hauch.
    Hatch ließ den Außenbordmotor auf Vollgas laufen und bemühte sich, an nichts anderes zu denken als die Bootsfahrt.
    Nach einer Weile wurde der Fluß schmäler und war nicht mehr dem Wechsel von Ebbe und Flut unterworfen. Bald tauchte eine Reihe von Häusern mit Türmchen und spitzen Giebeln aus dem neunzehnten Jahrhundert am Ufer auf, die man in Hatchs Jugend die »Millionärssiedlung« genannt hatte. Ein kleines Mädchen, das mit seinem Schürzenkleidchen und gelben Sonnenschirm gut aus der Entstehungszelt der Häuser hätte stammen können, winkte ihm von einer Schaukel aus zu. Je weiter Hatch auf dem getragen dahinfließenden grünen Fluß ins Inland kam, desto sanfter wurde die Landschaft. Die steilen Felsklippen der Küste machten langgezogenen Kiesbänken Platz, und statt Fichten standen jetzt moosbewachsene Eichen und kleine Birkenhaine am Ufer. Hatch fuhr an einem verfallenen Steg und an einer auf Stelzen gebauten Fischerhütte vorbei und wußte, daß es jetzt nicht mehr weit bis zu seinem Ziel war. Hinter der nächsten Flußbiegung mußte er sein, der kleine Strand mit den meterhohen Haufen leerer Austernschalen. Hatch wußte genau, daß er dort ganz allein sein würde, denn die meisten Bewohner von Stormhaven oder Black Harbor machten sich nichts aus prähistorischen Indianerlagern und ihren Hinterlassenschaften. Die meisten, aber nicht alle: Schließlich war es Professor Horn gewesen, der Hatch und seinen Bruder einst an einem warmen sonnigen Nachmittag zu dieser interessanten Stelle gebracht hatte. Es war genau einen Tag vor Johnnys Tod gewesen.
    Hatch zog das Dingi den Strand hinauf und holte seinen alten Malkasten und einen Klappstuhl aus dem kleinen Stauraum am Bug. Er sah sich einen Moment lang um und entschied sich dann für ein schattiges Plätzchen unter den Zweigen einer Birke. Hier war die Hitze noch am ehesten zu ertragen, und auch seine Aquarellfarben würden nicht sofort trocknen, kaum daß er sie aufs Papier gebracht hatte. Nachdem Hatch

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