Riptide - Mörderische Flut
Funkgerät ertönte leiser Jubel.
Das ist genau die Stelle, an der ich den Strudel gesehen habe, dachte Hatch.
Streeter legte das Ruder herum und gab Gas. Einen Augenblick später konnte Hatch etwa dreihundert Meter weiter vorn einen hellen Fleck auf dem Wasser erkennen. Bonterre und Scopatti rückten ihre Masken und die Mundstücke ihrer Regulatoren zurecht. Mit Bolzenkanonen in den Händen und Markierungsbojen am Gürtel standen sie an der Reling, bereit, ins Wasser zu springen.
»Farbe auf zweihundertsiebenundneunzig Grad, dreißig Meter vor der Küste«, kam die Stimme eines weiteren Beobachters aus dem Funkgerät. Der Jubel verstummte.
»Wie bitte?« fragte Neidelman. »Soll das heißen, daß auch an einer anderen Stelle Farbe zu sehen ist?«
»Richtig, Sir.«
Einen Augenblick lang herrschte verblüffte Stille. »Sieht ganz so aus, als müßten wir zwei Fluttunnels abdichten«, meinte Neidelman. »Die ›Grampus‹ wird sich um den zweiten kümmern. Los geht's!«
Die »Naiad« kam jetzt dem Strudel aus gelber Farbe immer näher, der knapp innerhalb des Riffs an die Oberfläche des Ozeans drang. Streeter drosselte die Motoren und zog einen langsamen Kreis um die Stelle, während die Taucher sich über die Bordwand ins Wasser fallen ließen. Hatch blickte Schulter an Schulter mit Rankin gespannt auf den Videomonitor. Zuerst sah man nichts als dichte gelbe Farbwolken, doch dann wurde das Bild klarer. Auf dem dunklen Boden des Riffs erschien ein langer unregelmäßiger Spalt, aus dem wie dichter Rauch der Farbstoff quoll.
»Le voilà!« ließ sich Bonterres Stimme aus einem Lautsprecher neben dem Monitor vernehmen.
Das Bild flimmerte heftig, als sie auf den Spalt zuschwamm. Dort angekommen, schoß sie mit ihrer Bolzenkanone einen kleinen Stahlstift in den Meeresboden und befestigte eine aufblasbare Boje daran, die sich sofort mit Luft füllte und nach oben stieg. Hatch blickte gerade noch rechtzeitig über die Reling, um den kleinen, mit Solarzellen und Funkantenne versehenen Ball neben der »Naiad« auftauchen zu sehen.
»Stelle markiert!« sagte Bonterre. »Wir bringen jetzt die Ladungen an.«
»Sehen Sie sich bloß das an«, hauchte Rankin, der ständig zwischen dem Bildschirm des Sonargeräts und dem Videomonitor hin und her blickte. »Ein sternförmiges Spaltenmuster. Macallan mußte seine Tunnels bloß entlang der ohnehin existierenden Verwerfungen im Meeresboden graben lassen. Trotzdem eine Meisterleistung, wenn man die technischen Möglichkeiten des siebzehnten Jahrhunderts in Betracht zieht.«
»Farbe auf fünf Grad, dreißig Meter vor der Küste«, hörte man aus dem Funkgerät.
»Sind Sie sicher?« In Neidelmans Stimme mischten sich Skepsis und Unsicherheit. »Okay, dann haben wir eben einen dritten Tunnel. ›Naiad‹, den übernehmen Sie. Und die Beobachter an Land behalten die Stelle gut im Auge, für den Fall, daß sich die Farbe verteilt, bevor die ›Naiad‹ dort ist.«
»Noch mehr Farbe! Dreihundertzweiunddreißier Grad, fünfundzwanzig Meter vor der Küste«, sagte eine andere Stimme.
»Farbe auf fünfundachtzig Grad«, rief der erste Beobachter. »Ich wiederhole: Farbe auf fünfundachtzig Grad, dreizehn Meter vor der Küste.«
»Wir übernehmen die Dreihundertzweiunddreißig«, sagte Neidelman, dessen Stimme einen merkwürdigen Ton angenommen hatte. »Wie viele Tunnels hat dieser verdammte Architekt denn noch gebaut? Streeter, Sie müssen sich um den anderen kümmern. Lassen Sie Ihre Taucher die Stellen bloß markieren, den Sprengstoff bringen wir später an. Wir haben nur noch fünf Minuten, bevor die Farbe sich zu sehr verteilt hat.«
Einen Augenblick später kamen Bonterre und Scopatti an die Oberfläche und kletterten an Bord. Ohne ein Wort zu verlieren drehte Streeter am Steuerrad und gab Vollgas. Jetzt konnte Hatch eine weitere Stelle ausmachen, an der gelber Farbstoff an die Wasseroberfläche stieg. Das Boot zog einen Kreis um sie herum, während Bonterre und Scopatti wieder nach unten gingen. Bald darauf erschien die Boje, dichtauf gefolgt von den beiden Tauchern. Sofort machte sich die »Naiad« zu der dritten Farbfläche auf. Hier ließen sich Bonterre und Scopatti abermals ins Wasser fallen, und Hatch konzentrierte sich wieder auf das Videobild.
Scopatti, der vorausschwamm, sah in den dicken Farbstoffwolken wie ein Gespenst aus. Diesmal mußten die beiden tiefer hinunter als bei den ersten beiden Tauchgängen, und so dauerte es eine Weile, bis plötzlich die
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