Riptide - Mörderische Flut
New Yorker Akzent tönte durch den ganzen Pavillon. »Ich meine, wie knackt man denn diesen Panzer?«
Ohne mit der Wimper zu zucken antwortete der Hummerfischer: »Indem man sich mit dem Hintern draufsetzt.«
Ein paar Einheimische in der Nähe brachen in schallendes Gelächter aus.
»Wahnsinnig komisch«, meinte Wopner.
»Na schön«, sagte der Fischer in einem etwas sanfteren Ton, »man benutzt eine Zange dazu.«
»Zangen habe ich jede Menge«, erklärte Wopner und deutete auf die Scheren der beiden Hummer auf seinem Teller.
»Das sind Scheren und keine Zangen. Und außerdem meine ich eine spezielle Hummerzange. Man kann es aber auch mit einem Hammer machen.« Mit diesen Worten zeigte er Wopner einen Bootshammer, an dem Hummersaft, Hummerleber und kleine rosafarbene Panzerstücke klebten.
»Mit so einem schmutzigen Hammer fuhrwerken Sie in Ihrem Essen herum?« rief Wopner entsetzt. »Kein Wunder, daß die Gelbsucht auf dem Vormarsch ist!«
Hatch trat auf die beiden zu. »Ich werde dem Herrn behilflich sein«, sagte er zu dem Hummerfischer, der daraufhin kopfschüttelnd abzog.
Hatch führte Wopner an einen der Tische, ließ ihn sich setzen und gab ihm einen Schnellkurs im Hummeressen -wie man den Panzer aufbrach, was man von dem Tier aß und was nicht. Dann ging er los, um sich selbst etwas zum Essen und einen Krug frisch gezapftes Bier zu holen. Das kühle Getränk kam aus einer kleinen Brauerei im Camden und hatte einen angenehm malzigen Geschmack. Nachdem Hatch ein paar Schlukke davon getrunken hatte, spürte er, wie der Druck, der sich ihm auf die Brust gelegt hatte, langsam wich. Er leerte den Krug und ließ ihn sich noch einmal nachfüllen, bevor er sich in die Schlange vor der Essensausgabe stellte.
Die Hummer und der Mais wurden in großen Ballen aus dampfendem Seetang gegart, die man über brennende Eichenscheiter gehäuft hatte. Aromatischer Rauch stieg in den blauen Himmel, und drei Köche waren damit beschäftigt, die Feuer in Gang zu halten und leuchtendrote Hummer aus dem Tang zu holen und auf große Pappteller zu legen.
»Hallo, Dr. Hatch!« grüßte eine Stimme, und als Hatch sich umdrehte, sah er Doris Bowditch. Sie trug wieder eines ihrer weiten Kleider, das sich im leichten Wind wie ein roter Fallschirm blähte. Ihr Mann, der neben ihr stand, hatte ein vom Rasieren gerötetes Gesicht und sagte kein Wort. »Na, wie habe ich das Haus für Sie hergerichtet?« fragte Doris.
»Wunderbar«, antwortete Hatch mit aufrichtiger Dankbarkeit. »Vielen Dank, daß Sie sogar das Klavier haben stimmen lassen.«
»Keine Ursache. Und es gab hoffentlich auch keine Probleme mit Strom und Wasser, oder? Gut. Wissen Sie, ich überlege mir schon die ganze Zeit, ob Sie sich die Sache mit diesem, reizenden Pärchen aus Manchester wohl durch den Kopf haben gehen lassen…«
»Ja«, sagte Hatch rasch und entschlossen. »Ich werde das Haus nicht verkaufen.«
»Ach, wie schade«, meinte Doris und machte ein trauriges Gesicht. »Die beiden habe schon so fest damit gerechnet, daß…«
»Das mag sein, Doris, aber es handelt sich immerhin um das Haus, in dem ich aufgewachsen bin«, erklärte Hatch sanft, aber bestimmt.
Die Frau zuckte zusammen, als erinnere sie sich mit einemmal an die Umstände von Hatchs Jugend und seiner Abreise aus der Stadt. »Aber natürlich«, sagte sie und legte ihm, während sie versuchte, ihr Lächeln wieder in Gang zu bekommen, die Hand auf den Arm. »Das verstehe ich voll und ganz. Es ist immer schwer, sein Elternhaus aufzugeben. Lassen Sie uns die Sache vergessen.« Sie tätschelte Hatch den Arm. »Für den Augenblick zumindest.«
Hatch war inzwischen vorn an der Schlange angelangt und widmete seine Aufmerksamkeit den großen Haufen dampfenden Seetangs. Einer der Köche nahm gerade die obere Schicht weg und deckte so eine Reihe von roten Hummern, mehrere Maiskolben und einige dazwischen verstreute Eier auf. Eines davon nahm er in seine behandschuhte Hand und schlug es mit einem Messer in der Mitte entzwei, um zu sehen, ob es hartgekocht war. Auf diese Weise, erinnerte sich Hatch, stellte man fest, ob die Hummer schon gar waren.
»Perfetto« , sagte der Koch. Die Stimme kam Hatch irgendwie bekannt vor, und mit einem Schlag wurde ihm klar, daß der Mann Donny Truitt war, mit dem er auf der Highschool in dieselbe Klasse gegangen war. Rasch bereitete sich Hatch seelisch auf das Wiedersehen vor.
»Hey, das ist doch Mally Hatch!« sagte Truitt, der ihn auf Anhieb erkannte. »Ich habe
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