Risotto Mit Otto
Gegenübers sah ich davon ab, danach zu fragen. Vielmehr wurde ich mal wieder rot bis unter die Haarspitzen und kam mir reichlich dämlich vor, wie ich da halbnackt vor diesem vollbärtigen Barbaren stand, der meinte, ausgerechnet mir als Angehöriger eines der ältesten Kulturvölker Anstand beibringen zu müssen. So was hatte ich ja gern. Dennoch sah ich ein, dass es die Situation erleichterte, wenn ich meine Identität lüftete.
»Ich bin Angela und darf für zwei Tage in Jans Zimmer wohnen«, erklärte ich kurz angebunden.
»Wer sagt das?«, fragte er zurück. Wieder wanderte sein Blick in Richtung meines Ausschnitts.
»Wer fragt das?«, hielt ich dagegen.
»Friedrich.« Wie gestern schon Isabelle streckte er mir die Hand hin, und diesmal war ich von der Situation dermaßen überfordert, dass ich sie tatsächlich ergriff.
Deutschland tut mir nicht gut, dachte ich, langsam werde ich merkwürdig. Dann merkte ich, dass Friedrich offenbar noch auf die Beantwortung seiner Frage wartete, und sagte schnell: »Beate von nebenan hat das gestern mit den M&Ms geklärt. Sie dachten, du wärst auch nicht da.«
»Soso!«
Gesprächig war er ja nicht gerade. Doch ehe ich mich darüber aufregen konnte, rumpelte es in meinem Zimmer, und ich fuhr herum. Sofort fiel mir die Ratte wieder ein, und ich stieß einen spitzen Schrei aus.
»Das ist keine Ratte, sondern Jarvis«, sagte der Unsympath nur und wandte sich zum Gehen.
»Wer?«, fragte ich mit schriller Stimme.
»Der WG-Kater«, erklärte er genervt. »Beruhig dich, falscher Alarm.«
Vorsichtig spähte ich in Richtung Kleiderschrank, konnte jedoch nichts Verdächtiges erkennen. Dabei sah ich aus den Augenwinkeln, wie Friedrich sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe tippte. Obwohl diese Geste nicht zum Standardrepertoire italienischer Gebärdensprache zählt, war mir sofort klar, dass seine Meinung von mir nicht die beste war. Umgekehrt galt dies aber genauso.
»Giavi?«, versuchte ich den seltsamen Namen nachzusprechen und hielt nach der Katze im Rattenkostüm Ausschau. Sie saß seelenruhig auf dem schicken, ausladenden braunen Ledersessel in meinem oder vielmehr Jans Zimmer und putzte sich. Igitt!
»Nein«, er atmete tief ein, »Jarvis, nach Jarvis Cocker von Pulp. Das ist ein britischer Sänger.«
Aha! Ich kannte keinen Jarvis Cocker. Nur Joe Cocker – und den mochte ich nicht. Entsprechend meiner Abneigung gegen den Kater, der mir gerade den Schreck meines Lebens eingejagt hatte, beschloss ich, ihn Joe zu nennen. Joe Kugel, weil das dickbäuchige Vieh eine Kugel mit sich herumschleppte, die ihresgleichen suchte.
Während ich leicht angewidert zusah, wie der Kater sich übers Fell schleckte, kam Friedrich einfach, ohne zu fragen, herein – ausgerechnet der wollte mir was von Anstand erzählen, dass ich nicht lache! – und nahm Joe Kugel auf den Arm. »Komm, Kumpel, du bist hier nicht erwünscht«, sagte er.
»Du auch nicht«, sagte ich und schloss hinter ihm die Tür, dass es nur so krachte.
Sofort steckte Friedrich wieder den Kopf ins Zimmer. »Hier wird nicht mit den Türen geschlagen, ist das klar?« Abschätzig musterte er mich von oben bis unten, als wäre ich die größte Zumutung, die ihm in den letzten zehn Jahren widerfahren war.
»Ich hab die Tür nicht zugeschlagen, sondern mit Nachdruck geschlossen. Das ist ein Unterschied«, versuchte ich mich zu verteidigen, doch er hörte mir schon gar nicht mehr zu und ging mit der Katze in die Küche.
Na, das kann ja heiter werden, dachte ich, die Empathiefähigkeit deutscher Männer lässt aber einiges zu wünschen übrig. Schließlich war Friedrich schon der zweite Mann nach meiner Ankunft, der mich alles andere als charmant behandelte, und das war ich nicht gewohnt. Italiener bleiben Frauen gegenüber in jeder Situation höflich und kämen nie auf die Idee, sie für ihre Schwächen zu tadeln, erst recht nicht in der Öffentlichkeit. Entweder sind deutsche Frauen da härter im Nehmen, überlegte ich, oder die haben hier alle noch nichts von Spiegelneuronen gehört. Ohne die ist es mit der Empathie nämlich Essig.
Gegen den Ärger beschloss ich, erst mal zu duschen, denn sobald ich duftend aus der Wanne steige, bessert sich meine Laune für gewöhnlich, und es geht mir wieder gut. Ich nahm also frische Wäsche aus meinem Rollkoffer und machte mich auf die Suche nach dem Badezimmer. Von den drei Türen im Flur, die noch in Frage kamen, erwischte ich zunächst die falsche und spähte in ein
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