Risotto Mit Otto
Lederhose an, dabei sei er aus Hamburg. Ich weigerte mich trotzdem mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln, inklusive Freundschaftsentzug, woraufhin wir uns dahingehend einigten, dass ich wenigstens eines ihrer bedruckten T-Shirts anzog. Die Jungs dagegen waren der Ansicht, man könne mich nicht ohne Sprachkurs auf die feiernden Massen in den Zelten loslassen, und übten fleißig Bayerisch mit mir – zumindest den rudimentären Wies’n-Jargon. Um das Ganze möglichst authentisch zu gestalten, musste ich nicht nur Schimpfwörter wie hundsmisrabliga Saupreiß, luftgsechta Krüppl und greißlicha Uhu erlernen, sondern fortan auch sämtliche Getränke aus einem Maßkrug zu mir nehmen und einhändiges Zuprosten üben. Bei Letzterem holte ich mir am dritten Tag eine mittelschwere Sehnenscheidenentzündung, aber natürlich war ich viel zu stolz, um das zuzugeben.
»Lass es krachen«, hatte Vale verlauten lassen, der ich natürlich brühwarm von dem bevorstehenden Event erzählt hatte. Wir telefonierten fast täglich miteinander, weil mich trotz der vielen schönen Erlebnisse immer wieder heftige Heimwehattacken überfielen, und wenn das so weiterging, dann würde mir mein italienischer Telefonanbieter sicher bald die Leitung kappen. Wir hatten ein paarmal versucht zu skypen, aber da Vale zu Hause keinen PC hatte und in der Firma nicht ständig Privatgespräche führen konnte, ließen wir es bald wieder. Unsere anfängliche Begeisterung über die Vorteile der modernen Technik stieß damit unsanft an ihre Grenzen.
Ebenfalls in Grenzen hielt sich meine Begeisterung für das Oktoberfest, zumal die anderen unbedingt in ein Zelt wollten und dafür sogar schon vor Monaten einen Tisch reserviert sowie über fünfhundert Euro vorab für Bier- und Hendlmarken ausgegeben hatten. Das waren etwas mehr als briefmarkengroße bedruckte Zettel, die man im Zelt angeblich gegen eine Maß Bier oder einen pollo arrosto , also ein Huhn, eintauschen konnte. Was das anging, war ich nicht ganz so zuversichtlich ob dieser unseriösen Praxis. Zumal jedes neapolitanische Kleinkind dazu in der Lage gewesen wäre, die Marken professionell zu fälschen und unters Volk zu bringen. Aber das sollte mal nicht meine Sorge sein.
Friedrich hatte sich wieder mal ausgeklinkt, wogegen ich nichts einzuwenden hatte, daher warfen wir uns am Freitagmittag gegen zehn nur zu sechst in die Kostüme. Meines bestand aus einer schwarzen Jeans, Turnschuhen und einem rosa T-Shirt, das mir viel zu eng war. Meine Brust zierte ein gezeichnetes Mädchen mit Zöpfen, und darunter stand: »Urbayerin«. Isabelle fand, dass es meinen für eine Italienerin ungewohnt hellen Teint und die dunklen Haare perfekt unterstrich und mir eine urdeutsche Note verlieh, ich dagegen enthielt mich lieber der Stimme.
Die Jungs fuhren schon vor, um die Plätze zu sichern, Beate, Isa und ich mussten uns erst noch schminken und wollten dann nachkommen. Um Viertel nach elf fuhren wir mit der U 6 rüber zur Wies’n, und als wir an der Poccistraße ausstiegen, herrschte ein derartiger Tumult, dass ich die anderen beiden fast verloren hätte. Eingehakt liefen wir zu dritt die paar Straßen bis zur Festwiese vor, begleitet von unzähligen anderen feierwütigen und verkleideten Menschen. Hier kam wirklich alles zusammen: Alt und Jung, Arm und Reich, Schön und Hässlich – und alle wollten nur eines: sich amüsieren und so richtig Party machen.
»Lass mich bloß nicht los«, bat ich Beate, während wir uns im Gedränge an den Karussells, Wurfbuden und Bratwurstständen vorbeischoben.
»Keine Sorge, wir passen auf dich auf«, beruhigte sie mich.
Überall blinkte und blitzte es, die Musik dröhnte in voller Lautstärke, die Achterbahn raste mit ratternden Waggons durch die fünf Loopings, und in den Gängen herrschte Hochbetrieb. Die Biergärten waren bis auf den letzten Platz besetzt, und vor den Zelten hatten sich große Schlangen gebildet, da die ersten Wirte bereits jetzt ihre Tore wegen Überfüllung geschlossen hatten. Ich hatte schon nach wenigen hundert Metern jegliche Orientierung verloren und betete, dass Beate mich nicht mehr losließ, bis wir in unserem Zelt am Tisch saßen.
Eine halbe Stunde später stand ich dann doch alleine da, mitten im schlimmsten Gedränge vor dem Zelt, in dem wir den Tisch reserviert hatten. Die beiden hatten mich einfach dort geparkt und mir befohlen, mich nicht vom Fleck zu rühren. Sie wollten noch eben schnell etwas für mich besorgen. Als ob ich
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