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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Tage lang in einem uralten Buick besichtigt hatte (mit einer riesigen Beule in einem der Kotflügel und einem schrecklichen Benzingeruch im Wageninneren), der von einem schweigsamen Chauffeur gefahren wurde, einem riesigen, wortkargen Mann in einer Lederjacke und mit sehr großen Ohren, die ihm ein seltsam hundeähnliches Aussehen verliehen.
    Er war wirklich nicht besonders gesprächig, dieser Chauffeur, und offenbar kutschierte er sie nach einem festgelegten Programm für offizielle Gäste herum, das vor allem auf historische Denkmäler und pittoreske Landschaften ausgerichtet war.
    Immer standen in den Gasthäusern schon vorbestellte Zimmer bereit, mit ordentlich hergerichteten Betten und weichen Daunendecken, und in kleinen dunklen Wirtschaften mit einer bezaubernden Aussicht auf die Berge war genau um ein Uhr ein Mittagessen aufgetischt. Es wäre ein recht ermüdendes touristisches Besichtigungsprogramm gewesen, wenn es sich nicht um ein so eigentümliches Land gehandelt hätte.
    Und dazu ein wenig ungemütlich, trotz allem. Beispielsweise diese uralten Städte hoch oben in den Gebirgspässen, wo man den Buick vor zwanzig Meter hohen Kupfertoren abstellen mußte, auf denen seltsame Ornamente in Hochrelief sich über das Kupfer wanden, Bilder von Märchenungeheuern und sonderbaren Drachen, die bestimmt nicht in der Biologie zu Hause waren. Der Chauffeur hielt wie gesagt vor den zwanzig Meter hohen Toren und drückte auf einen kleinen Klingelknopf, und nach einer Wartezeit von mehreren Minuten glitten sie in ihren ungeheuren Angeln auf, ohne daß man überhaupt sehen konnte, wer sie öffnete oder von wo aus sie geöffnet wurden.
    Dann kam man in eine kleine Stadt, die so aussah, wie es in dieser Gegend üblich war: Hohe, schmale Häuser, enge Gassen, Fassaden, die der Straße einen sehr feindseligen Ausdruck zeigten, aber hier und da saß immer ein strickendes oder häkelndes altes Mütterchen auf einem Stuhl, der nach der Art der Mittelmeerländer auf den Bürgersteig hinausgestellt war.
    Sie hatte nicht das Gefühl, wirklich mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, Der Chauffeur, der ein ausgezeichnetes Deutsch sprach – weiß der Himmel, wo er es gelernt hatte, es war sehr idiomatisch, überraschte aber manchmal durch etwas altertümliche Wendungen – übersetzte auf eine trockene und pedantische Art all ihre Unterhaltungen mit den Einwohnern; es waren fast immer die gleichen, nichtssagenden Gespräche. Nicht etwa, daß man unhöflich gewesen wäre, ganz im Gegenteil, alle schienen sehr entgegenkommend und freundlich zu sein, aber nichtssagend, so schrecklich nichtssagend.
    Gestern hatte sie beispielsweise versucht, mit einigen Damen und Herren ins Gespräch zu kommen, untersetzten, etwas ländlichen Typen mit ausgeprägten Kartoffelnasen, die im lärmenden Schankraum eines Wirtshauses mit Pfeilen nach einer Zielscheibe warfen, und es war genauso eine nichtssagende Unterhaltung geworden, wie sie sie nun allmählich schon gewohnt war, nach etwa einem Dutzend dieser Art:
    – Kommen Sie aus dieser Gegend?
    – Ja, wir wohnen gleich hinter dem Dorf.
    – Schauen Sie oft hier herein?
    – Nein, nicht besonders oft. Nur ab und zu. Meistens Freitag abends.
    – Die Gegend ist sehr hübsch.
    – Ja. Kann man sagen.
    – Sind die Lebensmittel hier teuer?
    – Gemüse ist sehr billig. Hammelfleisch ist etwas teurer.
    – Habt ihr eine Inflation?
    – ?
    – Steigen die Preise oft?
    – Wieso steigen?
    – Werden die Preise von Jahr zu Jahr erhöht?
    – Nein. Davon haben wir noch nie was gehört. Die Preise sind immer gleichgeblieben.
    – Aha. Habt ihr Schwierigkeiten im Umgang mit den Behörden?
    – Es gibt hier nicht viele Behörden.
    – Ich meine, mit dem Finanzamt und – und der Polizei und – den Forstbeamten und so weiter.
    – Na ja. Es geht so. Wir sehen sie nicht besonders oft.
    – Ihr fühlt euch also wohl hier?
    – Das kann man schon sagen.
     
    Sie konnte sich sozusagen nie mit dem Gedanken abfinden, daß es für diese Menschen ganz selbstverständlich war, in einer so sonderbaren Welt zu leben. Es schien für sie nicht im geringsten problematisch zu sein. Irgendwas stimmte nicht, irgendwas stimmte ganz und gar nicht, aber es war nicht so leicht herauszufinden, was es eigentlich war.
    Nun wehte wieder so ein heißer Wind da draußen durch die Nacht, raschelte in den Baumkronen vor ihrem Fenster und ließ die Gardinen unruhig flattern.
    Es muß weiter südlich wahnsinnig heiße Wüsten geben,

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