Ritter 01 - Die Rache des Ritters
von Motten zerfressene Decke zur Seite, die ihre Matratze bedeckte, und versuchte, nicht bei dem Gedanken zusammenzuzucken, dass sie ihr Haupt auf dieses zweifellos von Flöhen verseuchte Stroh betten sollte. Sie stieß den Nachttopf mit dem Fuß an und schrie erschrocken auf, als ein Käfer unter dem Gefäß hervorkrabbelte. Sie fasste sich erschrocken ans Herz, holte tief Luft und starrte Rutledge hart an. »Soll ich es komisch finden, dass Ihr mich in eine Zelle einsperrt, die selbst für den geringsten Burghund unzumutbar wäre?«
»Oh nein, Mylady«, erwiderte er. »Und bitte vergebt mir meine Gefühllosigkeit. Vielleicht wollt Ihr lieber bei mir bleiben, in meinem Zimmer? Ich würde als Dienstleistung nicht viel von Euch verlangen, und ich habe ein großes, bequemes Bett – «
»Niemals«, schwor sie und bereute es, ihm die Gelegenheit gegeben zu haben, sie zu necken. »Ich werde zufrieden mit den Flöhen und den Käfern schlafen und mit allem, was sonst noch in diesem Zimmer auf mich lauert. Ich behaupte sogar, ich würde mit Vergnügen alles Geschmeiß Eurer widerwärtigen Gegenwart vorziehen.«
Eine dunkle Augenbraue hob sich in spöttischer Herausforderung. »Wirklich? Nun, gerade erst letzte Nacht habt Ihr mich angefleht, bei Euch zu bleiben. Ist Euer Gedächtnis so schlecht, dass Ihr das bereits vergessen habt?«
Dafür, dass er das erwähnte, sollte er verflucht sein! Sie wünschte, sie könnte vergessen, dass sie diesen gefühllosen Schuft angefleht hatte, sie in jener schrecklichen Burgruine nicht allein zu lassen. Sie musste nicht an seine ungeduldige Reaktion auf ihre Furcht erinnert werden – oder an ihre Dummheit, nicht fortgelaufen zu sein, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte. »Seid Ihr es nicht leid, mich zu schikanieren? Sicherlich habt Ihr wichtigere Dinge zu tun, als eine wehrlose Frau zu quälen.«
Er schien etwas Passendes erwidern zu wollen, doch dann grinste er und sagte lediglich: »Natürlich habe ich das.«
»Dann wäre ich Euch verbunden, wenn Ihr gehen und mir einige Zeit allein gönnen würdet. Sicherlich ist es nicht zu vermessen, darum zu bitten.«
»Zeit für Euch?« Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »In meiner Burg hat jeder seine Pflichten, auch Ihr, meine liebreizende Gefangene. Da Ihr wenig begeistert zu sein scheint, mir in meinem Zimmer zu Diensten zu sein, werde ich Euch eine andere Aufgabe zuweisen. Könnt Ihr irgendetwas?«
»Selbstverständlich«, entgegnete sie misstrauisch. »Ich kann lesen und schreiben und sticken – «
»Nichts davon ist hier von besonderem Nutzen, Mylady; aber dennoch bin ich sicher, Agnes wird Arbeit für Euch finden, um Euch zu beschäftigen und von Dummheiten abzuhalten.« Er ging zur Tür, öffnete sie und rief nach der Frau.
Sie tauchte im Nu auf, eine untersetzte, rundliche Frau in der zweiten Hälfte ihres Lebens. Die Falten zwischen ihren grauen Augenbrauen schienen sich dort eingenistet zu haben. Sie stammten vermutlich von einem Leben voller Entbehrungen … oder Stirnrunzeln, wie sie es auch jetzt tat, trotz Rainas Versuch, sie mit einem Lächeln für sich zu gewinnen.
»Agnes«, wies Rutledge die Frau an, »ich übertrage dir die Verantwortung für die täglichen Pflichten meiner Gefangenen. Sorg dafür, dass du sie ständig im Blick hast.«
»Aye, Mylord«, sagte sie, »es wird mir ein Vergnügen sein, sie unter meine Fittiche zu nehmen.«
9
Gunnar sah amüsiert zu, wie Raina an ihm vorbeiging und die Kammer verließ. Agnes würde dafür sorgen, dass seine Gefangene den ganzen Tag über beschäftigt war. Auch wenn der größte Teil des Vormittags bereits vergangen war, würde sie heute Abend keinen Gedanken mehr daran verschwenden zu fliehen, so viel war sicher. So wie er Agnes kannte, würde Raina sich am Ende des Tages nur noch wünschen, ihren hübschen Kopf auf ein Kissen sinken lassen zu können und bis zum Sonnenaufgang zu schlafen.
Schuldbewusstsein überfiel ihn, als er das ihr zugedachte Quartier musterte. Sie hatte recht; die Kammer war kaum eines Hundes würdig, geschweige denn einer Lady vornehmer Herkunft. Und sein Schlafzimmer war auch nicht viel besser, was das anging, aber er hatte natürlich keinen Augenblick erwartet, dass sie sein Angebot annehmen würde, es mit ihm zu teilen. Er empfand eine seltsame Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung darüber, dass sie das Angebot so ungestüm abgelehnt hatte.
Er wusste nicht, warum es ihm solches Vergnügen bereitete, sie wütend zu
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