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Ritualmord

Titel: Ritualmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Presse oft neben muti findet, ist ndoki. Das bedeutet nun wirklich >Hexerei<, aber so nennen sie es weiter oben auf dem Kontinent, in Westafrika. In der Gegend forscht unser Team zurzeit.«
    »Das macht dir Spaß, stimmt’s, Marilyn? Ich höre es an deiner Stimme. Dir gefällt dieser Job.« 

    Sie lachte. »Jack, ich erfahre alles Mögliche über die Welt. Ich tippe nicht bloß Daten über jeden Kinderschänder in Südlondon in den Computer. Und weißt du was?«
    »Was?«
    »Je länger ich es mir ansehe, desto mehr finde ich, dass es so verrückt gar nicht ist. Es unterscheidet sich nicht sehr von der chinesischen Medizin, und bei der schreit niemand >Voodoo<. Alle vermuten, Adam wurde ermordet, weil man seine Kör¬perteile für muti haben wollte, und irgendwie ist dieses Wort fest mit dem Fall verknüpft. Aber wir glauben, bei dem Mord ging es um schwarze Magie, und das ist was anderes als Me¬dizin.«
    »Ein subtiler Unterschied.«
    »Subtil, ja, aber ein Unterschied. Bei muti denken wir nicht automatisch an menschliche Körperteile. In den meisten Fällen ist das Gesetz über gefährdete Arten unser Ausgangspunkt.«
    »Wieso?«
    »Bei muti geht es meist um tierisches Material. Jedes Tier hat eine andere Macht. Ich meine – Paviane. Ob du es glaubst oder nicht, bevor ich mit diesem Job begonnen habe, wusste ich nicht mal, was ein Pavian ist, aber jetzt weiß ich es. In Afrika kann den Pavian niemand leiden. Er ist wie ein Fuchs, äußerst gerissen und niederträchtig, und niemand hat die leisesten Skrupel, ihn umzubringen. Aber weil Fußball da drüben groß im Kommen ist, kann man die Hände eines Pavians auf dem freien Markt verkaufen. Angeblich helfen sie einem Torwart, die Bälle zu halten.«
    Caffery drehte seinen Stuhl wieder um, rief die polizeiliche Datenbank auf und gab »gefährdete Arten« als Suchbegriff ein. Er wartete, bis der Computer sich durch die Millionen von Einträgen gewühlt hatte. »Marilyn.« Er rollte mit dem Stuhl näher an den Bildschirm heran. »Hast du irgendetwas, das du mir schicken könntest?«
    »Bin schon dabei. Ich sende dir ein von uns zusammenge-
    stelltes Infopack. Nottingham hat es schon gekriegt und Man¬chester auch – die Sache breitet sich hierzulande aus. Ich lass es dir nicht auf dem Dienstweg zukommen, sondern schicke es dir heute noch per Kurier. Es sind ein paar Bibliographien dabei, Kontaktdaten zu Wissenschaftlern und Praktikern und dergleichen mehr. Aber vor allem sind es Presseerklärungen und Zeitungsausschnitte.« Sie schwieg kurz. »Und – Jack?«
    »Ja?«
    »Du wirst sehr vorsichtig sein, ja? Bei allem, was du da tust? In London ist es zurzeit ein sehr heißes Thema. Die rechte Presse – das kannst du dir sicher vorstellen – macht ein Rassenthema daraus, als ob jeder Afrikaner, jede schwarze Sekte, jeder Pfarrer einer Pfingstgemeinde rituelle Misshandlungen, Exorzismen und das alles betriebe. In Wahrheit hat es in den letzten zwei Jahren vielleicht eine Handvoll Fälle gegeben, und zwei oder drei sind im Gedächtnis haften geblieben, weil Kinder im Spiel waren. Für die Presse ist das ein gefundenes Fressen.«
    Caffery nickte nachdenklich. In den Großstädten des Landes herrschten starke Spannungen; in den Straßen war es, als genügte ein Funke, um den Kessel explodieren zu lassen. Auf dem Computer vor ihm sammelten sich die Suchergebnisse; es waren jetzt fünf Treffer. Er setzte die Brille auf und rückte noch näher an den Monitor heran. »Marilyn«, sagte er, »schick mir dein Material per Kurier, und grüß alle zu Hause, okay?«
    »Ja«, erwiderte sie trocken. »Ist ja nicht so, als hättest du eine eigene Familie, die du grüßen lassen könntest.«
    »Marilyn.« Er seufzte, und fast musste er lächeln über ihre Impertinenz. »Es ist immer wieder nett, mit dir zu plaudern. Danke für deine Unterstützung.«
    Sie verabschiedeten sich, und er wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Die Suche war zu Ende, und er wusste sofort, welches der zehn Resultate ihn interessieren würde. Der Bericht war skizzenhaft und enthielt nur das Allernötigste. Der Fall war nie vor Gericht gekommen, aber bei dem Datenex¬perten, der ihn eingegeben hatte, musste eine Alarmglocke geschrillt haben, denn die Anhänge waren äußerst detailliert. Caffery las alles. Der Bericht stammte von einem Verkehrs¬polizisten, der ihn neun Monate zuvor verfasst hatte. Er hatte in der Nähe der Clifton Suspension Bridge einen Wagen we¬gen eines schadhaften Bremslichts angehalten,

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