Ritus
ächzte leise, gab sich völlig hin, genoss es. Eric liebkoste sie und nutzte den Moment ihrer Verzückung, um sich ein Kondom überzustreifen. Danach drang er in sie ein. Beim ersten Orgasmus betätigte sie die Spülung, um den leisen Schrei zu übertönen, beim zweiten vergaß sie es in ihrer Ekstase und sorgte dafür, dass das ganze Café Gentil von ihrem Glück erfuhr.
Eric zog sich sanft aus ihr zurück und küsste ihren nackten Rücken. Während er seine Hose wieder hochzog, ließ sich Severina auf den Toilettendeckel fallen. Ihre Augen waren wie mit einem leichten Schleier verhangen. Sie legte den Kopf in den Nacken –, das wilde blonde Haar fiel ihr aus dem verschwitzten Gesicht –, und seufzte: »Ach du Scheiße.«
»Das wollte ich auch gerade sagen«, meinte er, nachdem er auf seine Uhr geschaut hatte. »Ich muss weg.« Er küsste ihre Hand. »Es war mir ein Vergnügen. Und das meine ich, wie ich es sage.« Er entriegelte die Tür, nickte den beschäftigt tuenden Frauen zu, die mit ihren Handtäschchen und Schminkutensilien vor dem Spiegel standen, und verschwand.
VII.
KAPITEL
9. Januar 1765, in der Nähe von Auvers, Kloster Saint Grégoire, Südfrankreich
Pierre blickte auf die geschlossene Pforte der Pilgerkapelle, die an der Außenmauer des Klosters errichtet worden war. Zögerlich nahm er die Muskete von der Schulter und lehnte sie gegen den grauen Stein, erst dann drückte er die verwitterte Holztür auf und betrat waffenlos das Innere.
Das schlichte Gotteshaus, wie alle Gebäude der Region aus Granitsteinen errichtet, wurde durch den Schein der zwei kleinen Kerzen kaum erhellt. Auch das spärliche Winterlicht, das durch die Buntglasfenster und die Rosette über dem Eingang fiel, genügte nicht, um die letzten Winkel auszuleuchten. Etliche Nischen abseits des Mittelgangs lagen im Halbdunkel.
Pierre nahm den Dreispitz ab, fuhr sich durch die kurzen schwarzen Haare und sog die Luft ein. Er roch kalten Weihrauch und den Ruß der Kerzen, Stein- und Holzdüfte mischten sich darunter und erzeugten die Ehrwürdigkeit, in der sich die Gläubigen wohl fühlten und zu Gott finden wollten.
Der junge Mann atmete aus, sein Odem wurde in der kalten Luft als feiner Dampf sichtbar. Er hatte gehofft, allein in der Kirche zu sein, um unbeobachtet beten zu können. Der Name Chastel wurde wegen seines Bruders und seines Vaters nicht unbedingt mit Frömmigkeit in Verbindung gebracht. Die Leute hätten ihn sicherlich angestarrt und getuschelt und angefangen, auch über ihn die unsinnigsten Dinge zu verbreiten.
Vor allen Dingen wollte Pierre nicht, dass sein Vater von diesem Besuch im Kloster erfuhr. Offiziell befand er sich auf der Suche nach Spuren der Bestie. Aber seine Schritte waren auf seltsame Weise in die Gegend von Saint Grégoire gelenkt worden. Als er die Anlage auf der Anhöhe entdeckt hatte, wie sie mit Geborgenheit und dem Zeichen des Kreuzes lockte, konnte er nicht widerstehen. Sie brachte ihm die schönen Erinnerungen an die geliebte Mutter zurück, die ihn das Beten gelehrt hatte.
Pierre benutzte den linken Seitengang und bemühte sich, auf dem Weg zum Bild des heiligen Gregorius keine lauten Geräusche mit seinen Schuhen zu machen. Er kniete sich vor das Gemälde, senkte seinen schwarzen Schopf und schloss die Augen. Die Hände gefaltet, murmelte er erst einige Vaterunser. Und dann: »Heiliger Gott, nimm das Fieber von mir, das mir die Bestie brachte und das mir die Sinne raubt. Ich weiß nicht, was ich tue, wenn es mich übermannt. Manchmal habe ich Blut an meinen Händen und Antoine sitzt mir gegenüber, schaut mich an und sieht mich dennoch nicht. Nimm den Bann von uns! Ich habe Angst, dass ich noch mehr Unschuldige töte.«
Die Verzweiflung trieb ihm die Tränen in die Augen, heiß rannen sie über sein glatt rasiertes Gesicht und tropften auf den Mantel. Er dachte an die Orte, an denen die Bestie in den vergangenen Tagen zugeschlagen hatte. Drei junge Mädchen waren in Saint Juery, Morsange und Rieutort auf die bekannte Art zerfleischt worden, und in mindestens einem Fall konnte es nicht die Bestie gewesen sein. Also trug entweder er oder Antoine die Schuld am Tod der Unschuldigen. Oder waren wir es beide? Seine Hände krampften sich ineinander. Pierre schluchzte laut. »Gott, nimm mich zu dir! Ich ertrage es nicht!«
»Monsieur, soll ich eine der Schwestern rufen?«, fragte eine junge Frauenstimme.
Pierre hob den Kopf; tränenblind erkannte er nicht mehr als einen hellen Fleck, der
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