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Ritus

Ritus

Titel: Ritus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Durcheinander aus schmelzenden Möbelstücken, Tischen, blubbernden und Blasen werfenden Einrichtungsgegenstände. Es sah aus wie ein dreidimensionales Bild von Salvador Dali. In kürzester Zeit waren sämtliche Aufzeichnungen vernichtet worden.
    Eric untersuchte das Zerstörungswerk. Splitter von Glasbehältern lagen umher; der beißende Gestank, das Zischen, die Löcher in den Papieren, den CDs und Disketten sprachen für Säure, die literweise vergossen worden war. Aufmerksam wich er den Pfützen auf dem Boden aus. Säurecocktails leisteten bessere Arbeit als Brandbomben. Es gab nichts mehr von dem immensen Wissen und den Erkenntnissen seines Vaters, was er verwenden konnte.
    Im hinteren Teil des Kellers lag das kleine chemische Labor in einem Scherbenhaufen, die ausgetretenen aggressiven Substanzen hatten zusammen mit der Säure nichts übrig gelassen außer einer altertümlichen Glasphiole, die er am Boden entdeckte. Eric erstarrte. Sie war das Wertvollste, was seine Familie besaß, wertvoller als alle Besitztümer in der ganzen Welt. Und doch hatten seine Feinde die Phiole übersehen – wahrscheinlich, weil sich in ihr nichts anderes zu befinden schien als eine vertrocknete Substanz. Daneben lag eine beinahe vollständig von der Säure zersetzte Notiz. Eric nahm beides an sich. Er würde es in einem sicheren Bankschließfach deponieren.
    Die beißende Luft wurde zu viel für seine Lungen, er musste gehen. Er holte Tinas Leiche rasch in den Keller und ließ sie dort zurück. Sobald die giftigen Dämpfe sich verflüchtigt hatten, würde er zurückkehren, das Labor nochmals durchsuchen und die Kadaver entsorgen.
    Müde aktivierte er die Falle, schloss den Zugang in der Küche und stieg in den Porsche. Wer auch immer hier gewesen war, er hatte es nur darauf abgesehen, die Aufzeichnungen von Erics Vater und dessen Vorfahren zu vernichten. Den letzten Jäger aus der Familie der von Kastells aber schien der Unbekannte als geringere Gefahr einzustufen.
     
    Eric kehrte in das Hotel in der Münchner Innenstadt zurück, um sich eine Dusche und ein Essen zu gönnen. Danach würde er ein paar alte Informanten seines Vaters anrufen oder per E-Mail kontaktieren, um etwas über diesen Fauve herauszufinden. Auf die Jagd würde er heute nicht mehr gehen; heute war genug Blut vergossen worden.
    Er parkte den Cayenne in der Tiefgarage, stieg in den Aufzug und hatte für die hübsche Dame, die mit ihm zusammen nach oben fuhr, keinen Blick übrig. Die gebrochenen Augen Tinas verfolgten ihn. Nur weil er das Töten beherrschte, bedeutete es nicht, dass ihm der Tod nichts mehr ausmachte. Ganz im Gegenteil.
    In seiner Suite angekommen streifte er die Kleidung samt den Waffen vom Leib, nahm eine Dusche und legte sich nackt wie er war aufs Bett. Die muskulösen Arme hinter den Kopf mit den nassen schwarzen Haaren verschränkt, lag er da und starrte an die Decke.
    Der Tod seines Vaters, Blut und Schießereien, Justine, Gedärme, Tina, der Geruch von Leichen, Fauve, eine aufblitzende Klinge, Upuaut, entsetztes Weinen, erschrockene Gesichter und schnappende Reißzähne. Das alles mischte sich zu etwas, das seinem Verstand zu schaffen machte und das er auf diese Weise nicht zu bewältigen vermochte.
    Er wälzte sich vom Bett und lief ins Nebenzimmer, wo er die Staffelei aufgebaut hatte. Ohne sie verreiste er nur selten.
    Eric mischte Farben an und malte fieberhaft los, gab Schwarz und Rot zusammen, übermalte es mit Gelb, mit Weiß. Er hörte nicht mehr auf, bis er das giftgleiche Grauen aus seinem Inneren herausgesogen und auf die Leinwand gespuckt hatte. Keuchend trat er zurück und betrachtete sein Werk. Es waren zwei verfremdete Augen, die Augen Tinas, in denen sich undefinierbare Ängste widerspiegelten.
    Seine Ängste.
    Doch dann, ganz langsam, spürte er die Ruhe, auf die er sehnsüchtig gewartet hatte; vorsichtshalber nahm er noch ein paar seiner besonderen Tropfen, wankte erschöpft und ausgebrannt ins Bett und schlief auf der Stelle ein.
     
    München, 12. November 2004, 09:01 Uhr
    »… sprechen die Behörden von Sankt Petersburg von einem ungeheuerlichen Vorfall, wie er in den Annalen der Stadt nicht zu finden ist. Die Bauchdecke des kleinen Mädchens, so informierte man uns, ist mit einer stumpfen Klinge oder einem dicken Nagel aufgerissen worden«, sagte die Korrespondentin in die Kamera und gab sich Mühe, besonders betroffen auszusehen.
    Eric fluchte und richtete sich kerzengerade im Bett auf. Der Gast vor ihm hatte

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