Rivalen der Liebe
besondere Kunst war: Die Blicke, die man ihnen zuwarf, waren alles andere als subtil. So manche Kutsche verlangsamte die Fahrt, als die Insassen unfassbarerweise Lord und Lady Roxbury zusammen in der Öffentlichkeit erblickten.
Lady »Sperling« Rawlings war mit Lady Stewart-Wortly unterwegs, und zu Juliannas Verwunderung schien keine der beiden Damen die Roxburys zu erkennen, obwohl Lady Rawlings ihren Kutscher anwies, die Fahrt zu verlangsamen, als sie vorbeirollten. Lauter Kutschen mit ihren ehemaligen Freunden rollten vorbei, aber niemand ließ sich dazu herab, ihnen zumindest grüßend zuzuwinken.
»Die warten doch alle nur darauf, dass wir den nächsten Skandal produzieren«, sagte Julianna leise und mit Bitterkeit in der Stimme. Jene, die sie jetzt schnitten, hatten sich vor nicht allzu langer Zeit noch schier überschlagen, um mit ihnen beiden befreundet zu sein. Gott, wenn sie wenigstens noch ihre Kolumne hätte, um sich an ihnen zu rächen …
»Ich bin wirklich außerordentlich versucht, einen Skandal zu provozieren«, erwiderte Roxbury angespannt. Ihre Haut prickelte vor köstlicher Vorfreude.
»Was würdet ihr denn zum Beispiel tun?«, fragte sie neugierig.
»Ach, Liebes. Wo soll ich da anfangen?«, fragte Roxbury und lachte. »Ich könnte Euch hier und jetzt küssen. Innig und so richtig leidenschaftlich würde ich Euch küssen, und ich wette, dass Lady Stewart-Wortly auf der Stelle der Schlag trifft, und allein aus dem Grund wäre es die Überlegung wert.«
»Während Ihr die Kutsche lenkt?«, erkundigte Julianna sich etwas misstrauisch.
»Nein. Ich würde natürlich die Pferde zügeln, damit alle sich für die perfekte Sicht um uns drängen können«, antwortete er, und sie wusste sofort, dass er ihr aufmerksam zugehört hatte, als sie ihm von Somerset erzählt hatte.
Mehr Kutschen verlangsamten das Tempo, damit die Insassen sich davon überzeugen konnten, dass Lord und Lady Roxbury tatsächlich gemeinsam unterwegs waren. Sie konnte die alten Matronen förmlich hören, wie sie »Wie abscheulich!« riefen und vermutlich schon dazu ansetzten, sich lang und breit über ihren Mangel an Anstand auszulassen.
Aber sie war mit einem verflixt gutaussehenden Mann unterwegs, der ihr zuhörte, der ihr Boxen beibrachte und der sie schon in Kürze küssen würde, bis sie den Verstand verlor. Deshalb kümmerte es Julianna auch überhaupt nicht, dass eine alte Fledermaus wie Lady Stewart-Wortly die Nase in die Luft streckte, als sie an ihr vorbeifuhr.
»Um einen Skandal zu provozieren, hätte ich eher daran gedacht, meine Haube abzunehmen und der Öffentlichkeit meinen Bluterguss zu zeigen. Ihr könntet im Gegenzug ja Eure Krawatte verlieren«, sagte sie und grinste breit.
»In aller Öffentlichkeit nicht anständig bekleidet sein … Ihr habt ja Nerven«, antwortete Roxbury schelmisch und schmunzelte.
»Wenn Ihr einen Zigarrenstumpen dabei habt, könnte ich den rauchen«, sagte Julianna, und in ihrer Stimme schwang große Begeisterung mit. Es machte richtig Spaß, sich all die verbotenen Dinge auszudenken, die sie tun könnte. Ihr Ruf konnte kaum mehr Schaden nehmen, deshalb gab es eigentlich auch keinen Grund, warum sie sich nicht die Haube vom Kopf reißen sollte, um die Sonne zu genießen, oder einen Stumpen rauchen sollte, während sie mit ihrem ebenso skandalbehafteten Ehemann eine Ausfahrt auf der Rotten Row unternahm.
»Wenn ich einen Zigarrenstumpen dabeihätte, würde ich ihn rauchen – vor den Augen einer Lady«, übertrumpfte Roxbury sie vergnügt.
»Entsetzlich! Habt Ihr in dieser Kutsche vielleicht auch Brandy versteckt?«
»Meine Liebe, es ist noch nicht mal Mittag«, neckte Roxbury sie.
»Aber unsere Absicht ist doch, einen Skandal zu provozieren«, erinnerte sie ihn.
»Und warum stellt Ihr Eure Füße dann nicht einfach auf das Bremsbrett und gestattet der Gesellschaft einen Blick auf Eure hübschen Knöchel?«
Julianna brach in schallendes Gelächter aus. Köpfe drehten sich in ihre Richtung, Münder standen offen, und Augenbrauen wanderten nach oben. Lord und Lady Roxbury hatten nicht nur das Haus verlassen, sie genossen auch noch ihre gemeinsame Zeit! Leute, die von der Gesellschaft ausgeschlossen waren, durften doch nicht draußen bei schönstem Sonnenschein unterwegs sein und auch noch Spaß haben! Das wusste schließlich jeder.
»Oje, meine Sittsamkeit!«, rief Julianna laut und musste noch mehr lachen.
Das Bild, das sie in ihrer Vorstellung abgaben, war aber auch zu
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