Rivalen der Liebe
herrlich: Eine Lady ohne Haube und mit der wärmenden Sonne auf dem Gesicht, das von einem Boxkampf gezeichnet war, rauchte eine Zigarre und nippte dazu am Brandy, während ihre Füße auf dem Bremsbrett ruhten und sie ihre Füße entblößte. Natürlich durfte da der Ehemann nicht fehlen, der rauchend, trinkend und nur spärlich bekleidet neben ihr saß.
»Wenn ich Euer zartes Gemüt schon so sehr verletzt habe, könnt Ihr eigentlich genauso gut tun, als würdet Ihr das Bewusstsein verlieren«, sagte er. »Eine zeitlich geschickt gewählte Ohnmacht kann eine große Wirkung entfalten.«
»Lord und Lady Skandal. Der Name passt wirklich zu uns«, bemerkte sie leise.
»Das stimmt«, gab Roxbury ihr vergnügt Recht. Und zum ersten Mal fühlte es sich in diesem Moment für sie so an, als gebe es tatsächlich ein »wir«, als wären sie ein Paar, ein Ehepaar sogar, als bestünde wirklich eine Verbindung zwischen ihnen. Es würde andere Roxburys und Somersets geben. Doch dieser Name gehörte allein ihnen.
Dieser Gedanke wärmte Julianna zusätzlich zu der Atemlosigkeit und dem Hämmern ihres Herzens. Es war nicht bloß das Wetter daran schuld. Es fühlte sich an, als sei sie bei Roxbury in Sicherheit. Oder als schenkte es ihr ein wenig Trost, dass sie nicht so allein auf der Welt war.
»Es ist heute recht warm«, bemerkte Julianna.
»Das ist richtig«, stimmte Roxbury ihr zu.
»Meine Kleidung ist ziemlich züchtig«, fügte sie hinzu.
»Dann schlage ich vor, dass Ihr etwas davon ablegt«, antwortete er ungerührt.
»Also wirklich, Mylord Skandal! Wie schockierend!«, rief Julianna und gab sich gespielt prüde und anständig.
Und mit diesen Worten fiel sie wie eine anständige junge Dame, die von einer anrüchigen Andeutung abgestoßen wurde, in Roxburys Arme und in eine gespielte Ohnmacht.
Roxbury ließ die Zügel fallen, um seine Gattin aufzufangen. Die Pferde blieben stehen und zogen die Kutsche langsam zum Wegesrand, um dort in aller Ruhe zu grasen. Kutschen umrundeten sie, Kutscher riefen, Pferde wieherten.
Und die Leute gafften. Lady Julianna in den Armen ihres Ehemanns? Vielleicht ist es ja doch eine Liebesheirat …
Lord Skandal hielt seine Lady in den Armen, und sie genoss das Gefühl, von den starken Armen eines Mannes umfasst zu werden, der sie stützte und beschützte. Sie hatte das hier längst vergessen geglaubt. Andererseits war es ja auch nie so gewesen wie jetzt. Dies hier war irgendwie … spektakulär.
Roxbury betrachtete sie freundlich. Sein Lächeln galt ihr allein.
Wann hatte sich eigentlich alles so sehr verändert, dass er sie jetzt so anlächelte? So aufrichtig, freundlich und liebevoll … Und wann hatte es begonnen, dass ihr das gefiel? Tatsächlich, stellte Julianna fest. Sie blicke völlig hingerissen zu ihm auf und fand sich kein bisschen lächerlich dabei.
Was war mit ihnen passiert? Hatten sie sich etwa verl…? Nein, das war lächerlich. Sie verabscheute ihn einfach nicht mehr so sehr, das war alles. Immerhin würde es doch jede Frau genießen, in seinen Armen zu liegen. Und tatsächlich hatten schon viele das Vergnügen gehabt.
Wenn sie ganz ehrlich war, sehnte Julianna sich jedoch am meisten danach, von ihm voller Leidenschaft und innig geküsst zu werden, und zwar genau hier und jetzt. Und Lady Stewart-Wortly hatte damit nichts zu tun.
»Das ist schon ziemlich romantisch, was wir hier tun, Liebes«, sagte Roxbury leise.
»Niemand hat mich jemals Liebes genannt. Das gefällt mir«, flüsterte Julianna und hatte plötzlich einen Kloß im Hals.
»Meine liebe Lady Skandal«, murmelte er. »Lass uns jetzt nach Hause fahren.«
War diese Ehe eine Liebesheirat oder doch nur ein Schwindel? Das war das Thema, über das in einer Kutsche hitzig debattiert wurde und in der auch der Mann, der Bescheid weiß, mit seinen Freunden zusammensaß. Sie hatten sich unter die Flaneure auf der Rotten Row gesellt, und dort wurde es augenblicklich voller, sobald das Gerücht die Runde machte, das skandalöse Paar der Stunde sei dort gerade unterwegs.
Was war hier nur los?, fragte sich der Mann, der Bescheid weiß. Was war nur mit ihm los? Sonst war er doch durchaus in der Lage, sich nicht von den Objekten seiner Berichterstattung vereinnahmen zu lassen. Sonst wusste er doch immer die Distanz zu wahren … Aber diese Story war mit all ihren Wendungen für den Mann, der Bescheid weiß, mindestens so fesselnd wie für den Rest von London.
»Was hat Lord Roxbury durch eine Ehe mit einer Witwe zu
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