Rivalen der Liebe
Nächten der Woche vergnüge. Und als ob das nicht bereits Demütigung genug sei, fügte er seinem Schreiben noch hinzu, dass er trotz des Skandals noch immer binnen drei Wochen eine Eheschließung seines ungehörigen Sohnes erwarte. Anderenfalls würden diesem die Gelder aus der Familienschatulle rigoros gestrichen.
Drei Wochen !
Den Brief hatte Roxbury erst in Brandy ertränkt und dann im Kamin rituell verbrannt.
Irgendwas musste geschehen . Roxbury war kein Mann, der tatenlos zusah, wie sein Leben ihm entglitt. Allmählich verstand er, warum Edward sich aus der Gesellschaft zurückgezogen hatte und von seiner Stellung und den familiären Verpflichtungen nichts mehr hatte wissen wollen. Roxbury überlegte ernsthaft, zur Armee zu gehen. Doch er genoss sein bequemes Leben und die Frauen viel zu sehr, um sie gegen ein Soldatenleben einzutauschen.
Er lehnte sich betont lässig gegen einen Mahagonipfosten von Jocelyns Himmelbett und hörte zu, als sie ihm die beleidigenden Zeilen der Lady mit Klasse vortrug.
Lord R- beharrt darauf, dass ich mich bei ihm entschuldigen und eine Gegendarstellung abdrucken soll! Da ich eine gehorsame, freundliche Lady mit Klasse bin, werde ich dem Begehren des erzürnten Schwerenöters selbstredend willfahren. Nun denn, Lord R-, so hört: Es tut mir über die Maßen leid, dass mein müßiges Geschreibsel die Gesellschaft zu einem Schluss hat kommen lassen, von dem Lord R- behauptet, er sei falsch.
Jocelyn musste kichern, als sie das las. Dann erinnerte sie sich wieder an ihn und zwang ihre Miene rasch, zu angemessen besorgt und mitfühlend zu wechseln.
»Das ist schrecklich«, sagte sie todernst. Ihre Mundwinkel zuckten, weil sie zweifellos ein Lachen unterdrückte.
Roxbury wünschte, dass er über die ganze Angelegenheit auch lachen könnte.
»Wenigstens hat der Mann, der Bescheid weiß, mich bei der Verfolgung einer Frau ertappt. Auch wenn es sich um diese Teufelin Lady Somerset handelt«, bemerkte Roxbury trocken. Er spielte auf die Kolumne von letzter Woche an, in der berichtet wurde, wie er ihr nachstellte.
»Sie ist wunderbar, Roxbury. Ein bisschen scharfzüngig, aber das ist wohl zu erwarten nach der Ehe, die sie durchlitten hat. Du erinnerst dich sicher auch noch an den alten Somerset?«
»Nein.«
»Jeder Skandal, besonders wenn es um Hurerei, Trunksucht und Spielsucht ging – man konnte sicher sein, dass Somerset in die Sache verstrickt war.«
»Das trifft wohl auf die Hälfte der Männer in meinen Kreisen auch zu«, erklärte Roxbury mit einem Schulterzucken.
»Ja, aber es ist immer besonders zerstörerisch, wenn sowas einer jungen Frau passiert, ehe sich die erste Verliebtheit legt. Eine alte Frau wie ich weiß ja, was sie erwartet.«
»Du bist doch nicht alt«, widersprach Roxbury automatisch und taxierte Jocelyn verstohlen. Sie konnte nicht älter als achtundzwanzig sein. Lady Somerset allerdings wirkte auf ihn sehr jung, obwohl sie etwas Altkluges im Blick hatte. Sie hatte schon viel gesehen und gehört. Zu viel, als dass sie noch als unschuldiges Mädchen durchgehen konnte.
»Doch, mein Lieber, ich bin alt. Für meinen Beruf jedenfalls«, sagte Jocelyn mit einem süßen, bemitleidenswerten Seufzen.
Roxbury lächelte. Dann kam er auf den wahren Grund seines Besuchs zu sprechen.
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten, Jocelyn.«
»Alles, was du willst«, erklärte sie sogleich. Die beiden verband eine lange Geschichte. Sie kannten sich seit Roxburys erster Zeit an der Universität, als sie noch ein Schankmädchen in einem Gasthaus war, und waren einander immer verbunden geblieben. Erst in der letzten Woche hatten sie wieder gemeinsam ein bisschen Spaß gehabt. Er war nie einer ihrer offiziellen Protegés gewesen, aber immer der Mann, an den Jocelyn sich wandte, wenn sie in Schwierigkeiten steckte.
»Ich möchte, dass du deine Seite dieser skandalösen, obszönen Geschichte erzählst«, sagte Roxbury. Aufmerksam beobachtete er ihre Reaktion.
So sah nämlich sein groß angelegter Plan aus: Sobald Jocelyn alle Details seiner ganz durchschnittlichen Karriere als Wüstling bis hin zum Stelldichein vergangene Woche publikumswirksam ausgeplaudert hätte, würde jeder Gewissheit darüber haben, dass er keine abartigen Vorlieben hegte, sondern sich ganz den Frauen verschrieben hatte. Und sobald der Sturm über seine angeblichen Affären mit Männern abgeebbt wäre, würde er darüber nachdenken, eine fügsame, dumme Miss zur Frau zu nehmen, die alle Bedingungen
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