Rivalen der Liebe
Timson, sollte wohl klar sein, was ich bevorzuge.«
Kapitel 19
Drei Stunden später
Auf Lord und Lady Rathdonnells Ball
Es war für jeden Umstehenden unmissverständlich deutlich, wie tief Roxbury in der Gunst der Gesellschaft gesunken war, als Lady »Sperling« Rawlings, Londons größtes Klatschmaul, erhobenen Hauptes an ihm vorbeiging und sich weigerte, ihm in die Augen zu sehen, geschweige denn, ein Wort mit ihm zu wechseln.
Die einzige Person, die sich dazu herabließ, war ausgerechnet Lady Stewart-Wortly, und das tat sie auch nur, weil sie versuchte, ihn zu bekehren und – was noch wahrscheinlicher war – eine Szene zu provozieren, die dann am nächsten Tag in den Zeitungen stehen würde. Dass es ihr einzig und allein darum ging, mehr Interesse an ihrem Buch Lady Stewart-Wortlys Alltägliche Andachten zu wecken, war nicht nur für Roxbury offensichtlich.
»Ich fürchte um Eure Seele, Roxbury«, erklärte sie sehr ernst und drückte seine Hand gegen ihre Brust, nur wenig nördlich von ihrem Busen. Wie schrecklich, dass er wohl in nächster Zeit einem weiblichen Busen kaum näher kommen würde als dem dieser unerträglich predigenden Matrone.
Roxbury dachte sofort wieder an Juliannas wunderschöne Brüste und wie sie sich unter dem Mieder ihrer Kleider abzeichneten. Sein Mund wurde trocken, und er nippte gierig an seinem Champagner. Es bedurfte keiner Erwähnung, dass er im Moment viel lieber die Hände auf Juliannas Brüste gedrückt hätte.
»Eure von Gott gegebene, ewige und unsterbliche Seele«, fuhr Lady Stewart-Wortly eindringlich fort. Während sie an seine Seele dachte, konnte er nur an die Brüste einer Frau denken. Das brachte Roxbury zum Schmunzeln.
»Vielen Dank für Eure Sorge, Madam«, antwortete er und entzog ihr seine Hand. »Ihr müsst Euch um mich keine Sorgen machen. Ich selbst bin bezüglich meines Seelenheils schließlich auch ganz unbesorgt.«
Sie runzelte die Stirn und schien intensiv über seine Sorglosigkeit im Hinblick auf das irgendwann hereinbrechende göttliche Gericht und andere schwerwiegende Themen nachzudenken. Roxbury nahm einen weitere Schluck Champagner, nickte ihr zu und wandte sich dann dezent zum Gehen.
»Aber …«, setzte sie an.
»Von Sorgen kriegt man nur Falten«, murmelte er und nickte ihr vielsagend zu. Sofort flog Lady Stewart-Wortlys Hand zu ihrem Gesicht und betastete die zarten Linien auf ihrer Stirn. Dann erinnerte sie sich jedoch wieder an ihre gesellschaftliche Aufgabe, und die bestand nun einmal darin, jegliche Eitelkeit und andere irdische Sorgen im Brustton der Überzeugung zu verhöhnen.
»Es geht doch nicht nur um Euch! All die jungen Leute, die sich heutzutage ins Verderben stürzen!«, fuhr sie fort. Roxbury verzog das Gesicht, als er erkennen musste, dass ihre predigende Stimme weit trug und sich erste Hälse nach ihnen reckten. »Es ist wie eine Epidemie! Überall dieses wilde und unchristliche Verhalten!«
Sie sprach jetzt schon wie ein Prediger am Sonntag von der Kanzel, und sie ließ sich laut und ausgiebig über die fehlende Moral der heutigen Jugend aus, über Ladys, die durch die Lektüre von Romanen vom rechten Weg abkamen, und über Gentlemen, die sich jeder nur erdenklichen Ausschweifung hingaben.
»Ich wünschte, das wäre so«, murmelte Roxbury kaum hörbar. Er blickte über den Ballsaal und suchte nach Lady Somersets unübersehbaren kastanienbraunen Haaren und ihrer klassisch schönen Gestalt.
Lady Stewart-Wortly ließ sich von seiner Unaufmerksamkeit jedoch nicht bremsen in ihrem Eifer und versäumte es nicht, ihn darauf hinzuweisen, dass er doch sicher wissen müsse, worauf sie anspielte.
»Unglücklicherweise hatte ich zuletzt nicht mal annähernd die Möglichkeit, irgendwelche Schandtaten zu begehen, Madam«, erwiderte Roxbury charmant. »Ich war nicht im Geringsten unartig. Ich gedenke jedoch, das so schnell wie möglich zu ändern«, fügte er dann hinzu und grinste, als Lady Stewart-Wortlys Gesichtsfarbe sich gefährlich der Farbe einer Aubergine näherte.
Diejenigen, die in der Nähe standen – unter ihnen auch Wilcox, der Count Forsque und Lady Walmsly – lauschten der Auseinandersetzung mehr oder weniger diskret. Lord Walpole schlenderte offensichtlich gelangweilt davon und forderte eine junge Dame zum Tanz auf.
Roxbury stürzte den Champagner herunter und wünschte, er könne auch jemanden zum Tanz auffordern. Stattdessen nahm er das nächste Glas vom Tablett eines vorbeigehenden Lakaien und überlegte, ob
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