Rivalen der Liebe
unvorhersehbar. Frank hingegen war nicht besonders flink und definitiv kein Kämpfer. Ein anderer Mann hätte Roxbury bestimmt schnell die Lichter ausgeblasen, aber Frank versuchte einfach nur, diesen betrunkenen Säufer in seine Kutsche zurückzubugsieren. Der Kutscher wiederum war inzwischen verschwunden.
Sobald Frank mit seinem Unterfangen Erfolg hatte und Roxbury in die Kutsche geschoben hatte, hüpfte der betrunkene Witzbold einfach durch die andere Tür wieder heraus und sang weiter:
Oh, wo nur finden wir ein Bett,
geliebte Braut,
Damit ich genießen kann ganz nett
Deine unversehrte Jungfernhaut?
»Oh, Roxbury! Ihr seid so gemein!«, schrie Julianna zornig und verzweifelt gleichermaßen, doch ihre Stimme erreichte ihn nicht.
Inzwischen war jeder Bewohner am Bloomsbury Square wach und hing halb aus einem der offenen Fenster, um bloß nichts zu verpassen. Und manche beteiligten sich sogar an der ganze Sache – sie schwiegen nämlich nicht, sondern feuerten ihn lautstark an. Andere riefen ihm zu, er solle gefälligst die Klappe halten oder besser noch auf der Stelle tot umfallen. Nur wenige Rüpel besaßen die Frechheit, in seinen Gesang einzufallen. Als Roxbury die nächste Strophe sang, war es nicht nur seine Stimme, die durch die Nacht grölte:
Verflixt, ich finde nur kein Bett,
Sagt sie dann kokett,
Drum geb ich mich hin dir
Auf dem Boden gleich hier.
Es gab unmöglich genug Flüche, um diesen aufgestauten, erstickenden, heiß brennenden, betäubenden und überwältigenden Zorn auszudrücken, den Julianna im Augenblick empfand. Das Schlimmste an der ganzen Situation war jedoch, dass sie wahrnahm, irgendwo in einem hinteren Winkel ihres Gehirns, wie lustig diese ganze Situation war – und wäre eine andere Lady in dieser Situation, würde auch sie sich ausschütten vor Lachen. Oh mein Gott , schoss es ihr da durch den Kopf. Wie viel Vergnügen allein der Mann, der Bescheid weiß, an dieser ganzen Sache finden wird !
Immer mehr Menschen fielen in den Gesang ein und brüllten schon bald die Rufe nach Wahrung der Nachtruhe nieder.
Danach waren sie in bedauernswertem Zustande
Und schickten nach Hilfe aus London durch alle Lande.
Julianna schrie erstickt auf. Das alles war so peinlich, so frustrierend – und dass sie nichts dagegen tun konnte, machte sie am allerwütendsten. Jetzt rollten sogar schon vereinzelte Kutschen auf den Platz, die ihre Insassen von den nächtlichen Vergnügungen heimbrachten. Roxburys Kutsche parkte direkt vor ihrem Stadthaus, aber leider hatte er sie so abgestellt, dass sie andere Kutschen behinderte und keiner einfach passieren konnte.
Also entstand direkt vor ihrer Haustür ein Stau.
Roxbury sang immer noch, tatkräftig unterstützt von seinen begeistert mitgrölenden Anhängern.
Mittlerweile verlangten immer mehr Anwohner sein sofortiges Ableben. Die Rufe wurden immer lauter und immer ärgerlicher.
Inzwischen war bestimmt jeder Anwohner am Bloomsbury Square auf die eine oder andere Art in die Situation verwickelt, und da Roxburys unverwechselbare Kutsche – vielen Dank auch an das goldene und silberne Wappen! – direkt vor ihrem Haus parkte, durfte Julianna sich auch sicher sein, dass jeder wusste, wen der trunkene Barde da besang. Nicht zu vergessen, dass er ihren Namen geschickt in dieses unanständige Lied eingeflochten hatte!
Und als Doktor Mendcock von ihren Leiden erfährt
Schickt er ihnen Pillen, dass das Jucken aufhört.
Jetzt reicht’s ! Julianna machte sich nicht die Mühe, einen Gedanken an ihre spärliche Kleidung zu verschwenden. Dann trug sie eben nur einen Morgenmantel und ein Schultertuch! Sie rannte nach unten und riss wutentbrannt die Haustür auf, um sich persönlich der betrunkenen, teuflischen Bestie vor ihrem Fenster zu stellen.
Wenn es eins gab, das sie in all den Jahren gelernt hatte, dann dies: Männer mussten geführt werden. Und wenn einer förmlich danach schrie, von ihr zurechtgewiesen zu werden, dann musste sie das wohl oder übel selbst in die Hand nehmen.
»Roxbury«, sagte sie leise. Er schien ihre Anwesenheit gar nicht zu bemerken. Deshalb erhob sie die Stimme und sagte etwas lauter: »Roxbury.«
Nichts.
Julianna verschränkte die Arme vor der Brust. Es war draußen zu dieser nächtlichen Stunde recht kühl, besonders wenn man nur so spärlich bekleidet war wie sie. Ihre Wut wärmte sie allerdings ganz gut. Das und die heiße Scham, die sich in sie einbrannte, als sie erkennen musste, dass fast all ihre Nachbarn Zeugen wurden,
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