Rivalen der Liebe
Mayfair versorgte mich mit folgendem Geheimnis:« – was auch immer das sein mochte. Aber sie schrieben jetzt alle nur noch über sie ! Und alle Gerüchte, die Julianna vor die Füße flatterten, waren ausgedacht!
Ein Leser aus Bloomsbury berichtete, dass Lady Somerset zwei Tage lang ununterbrochen geweint habe. Ein anderer behauptete, man habe gesehen, wie sie sich vor Roxburys Haus herumdrücke, um ihm aufzulauern.
Es gab außerdem einen Bericht, nach dem sie bei Madame Auteuils ein neues Kleid gekauft habe. Julianna schnaubte. Als habe sie Gelegenheit oder Geld für so eine Ausgabe! Der Leser deutete an, das Kleid sei wie dazu geschaffen, Roxbury zu einem Heiratsantrag zu verführen.
Alles Lügen, Spekulationen und absoluter Schwachsinn! Julianna hatte diese Berichte früher so geliebt, aber inzwischen war sie nicht mehr mit dem Herzen bei der Sache.
»Kommt herein, Lady Somerset«, rief Knightly von drinnen.
Mit klopfendem Herzen betrat sie sein Büro und blieb schließlich vor seinem Schreibtisch stehen, während er die Korrektur eines Artikels fertigmachte. Der Regen peitschte gegen das Fenster. Ein Feuer im offenen Kamin fiel leise in sich zusammen.
Julianna schauderte, doch das musste nicht zwingend an der Kälte hier im Raum liegen.
Knightly steckte sich den Bleistift hinter das Ohr und richtete seine intensiven, blauen Augen auf sie. Annabelle wurde immer ganz poetisch, wenn sie auf seine Augen zu sprechen kam. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Wie Ihr wisst, Mylady, sage ich immer wieder gerne …«
»… dass Skandale gute Verkaufszahlen bringen. Ich weiß«, vollendete sie seinen Satz und wunderte sich, wie leise ihre Stimme auf einmal klang. Sie war doch kein müdes, kleines Mäuschen. Aber ach, irgendwie fühlte sie sich wie eines …
»Diese Gleichung hat sich immer als zuverlässig erwiesen. Auf ihr habe ich mein Imperium aufgebaut.« Knightlys Stimme war leise und ganz ruhig. Er brauchte nicht laut zu sprechen, um seine Autorität zu unterstreichen.
»Die Schreibfräulein verdanken diesem Umstand ihr finanzielles Auskommen«, sagte sie.
»Ja«, antwortete er und fuhr mit der Hand nachdenklich durch seine Haare. »Allerdings ist die Gleichung dieses Mal nicht aufgegangen, und das ist neu.«
»Was meint Ihr damit?« Julianna blinzelte mehrmals verwirrt.
»Ich werde Euch vorlesen, was der Mann, der Bescheid weiß, in seiner Kolumne schreibt«, sagte Knightly und blickte ihr herausforderndin die Augen.
Langsam begann Juliannas Mut zu sinken. »Ach, das braucht Ihr nicht. Die habe ich bereits gelesen«, sagte sie. Mindestens ein Dutzend Mal sogar. Wirklich, sie brauchte sich das nicht noch einmal anzutun.
»Nein, hört mir gut zu«, beharrte der Verleger. Dann nahm er die London Times von seinem Schreibtisch und las Folgendes laut vor:
Neues vom Mann, der Bescheid weiß
Hin und wieder kommt es zu einem Skandal, der in seinem Ausmaß so schockierend, so köstlich, so absolut unerwartet ist, dass dieser Mann, der Bescheid weiß, kaum die Freude verhehlen kann, das Folgende berichten zu dürfen.
Freude? Freude! Ihr Leben, wie sie es kannte, zerfiel um sie herum zu Staub, und er fand das auch noch amüsant? Julianna schäumte vor Wut. Und nicht zum ersten Mal schwor sie sich, diesen Mann, der Bescheid weiß, zu finden, ihn bloßzustellen und zu ruinieren.
Knightly las indessen ruhig weiter:
Ich höre schon, Sie alle möchten wissen, welches dieser neuste, größte aller Skandale ist. Lord R-, dessen amouröse Vorlieben in letzter Zeit ja mehrfach in Frage gestellt wurden, hat höchst eindrücklich und in aller Öffentlichkeit eine sehr spektakuläre Antwort auf das Rätsel um seine Orientierung gegeben. Die Tatsachen: Lord R-s Kutsche parkte vor dem Haus von Lady S-. Die ganze Nacht. Liebe Leser, es gibt noch mehr! Er sang ihr anstößige Balladen vor, besonders eine, die von einem Jungen vom Land handelt. Worauf sie einen Pistolenschuss abgab, und zwar nirgendwo anders hin als direkt auf die Kron… das gekrönte Wappen auf der Kutsche (Sie haben gedacht, ich spreche von den Juwelen, nicht wahr?).
Lady S- ist, wie wir alle wissen, die Witwe des verstorbenen Lord S-, der die Latte bezüglich schrecklich unhöflichen Verhaltens unglaublich hoch gelegt hat. Dieser kleine Streich von R- ist, so nehmen wir an, für sie noch gar nichts.«
Julianna biss sich auf die Lippe, um nicht sofort zu protestieren. Wenn es in den Schreibereien des Mannes, der sich auskannte, nicht um den
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