Rivalen der Liebe
könnte sich also in die Legion der Frauen einreihen, die Roxbury wollte, die er heftig liebte und schnell vergaß. Was ja etwas völlig anderes wäre, wenn sie sich nicht für ihr Leben an ihn binden würde.
Julianna schlenderte zurück zum Sofa und ließ sich darauf fallen. Sie zog ein Kissen an ihre Brust. Ach, Somerset , dachte sie.
Irgendwie war das alles seine Schuld. Wenn er sie damals mit siebzehn nicht so umgehauen hätte. Wenn er sich nicht in sie verliebt hätte. Wenn er sie nicht verführt hätte. Wenn er nicht einfach fortgegangen wäre! Wenn sie ihm doch einfach nur genügt hätte und er nicht den Wunsch verspürt hätte, anderswo seine Bedürfnisse zu stillen, bei Frauen mit höchst zweifelhaftem Ruf.
Penny klopfte an die Tür des Salons. »Ma’am, Euer Bad ist jetzt fertig.«
Als sie durch die Eingangshalle ging, bemerkte Julianna, dass dort keine Post für sie lag. Nicht einmal das Angebot, gegen Zahlung eines Bestechungsgelds keine weiteren Lügen über sie zu verbreiten. Nicht einmal eine Nachricht von ihrer Mutter.
Kurze Zeit später ließ sie sich in das dampfend heiße Badewasser gleiten. Draußen regnete es immer noch unablässig.
Es war unausweichlich, in Gedanken wieder bei Roxbury zu landen.
Sein Angebot war schockierend. Auf eine seltsame Art aber auch sehr ritterlich, obwohl das sonst nicht seine Art war. Sein Kuss war jedenfalls nicht der eines Gentlemans gewesen, oh nein … Sie konnte ihn noch immer schmecken – er war eine wilde Mischung aus Champagner, Wut, Abenteuer und Leidenschaft. Sie konnte sogar die Treibhausblumen noch riechen, und sie sah das silbrige Licht des Mondes durch die hohen Fenster.
Jene unerwartet leidenschaftliche Begegnung stand im krassen Gegensatz zu dem nüchternen Heiratsantrag, den er ihr heute gemacht hatte. Er war nichts weiter war als eine geschäftliche Transaktion, das musste sie sich zwingen einzugestehen. Das ergab ja auch irgendwie Sinn, aber Juliannas Herz rebellierte trotzdem gegen diesen Affront, und ihr Bauch zog sich bei der Vorstellung schmerzhaft zusammen. Genauso hatte sie sich auf dem Duellfeld gefühlt. Als könnte er ihr verloren gehen.
Aber was kümmerte es sie schon, wenn er ihr verloren ging? Oder wusste sie tief in ihrem Herzen etwas, das ihr Verstand noch nicht begreifen wollte?
Roxbury war gutaussehend. Charmant. Wohlhabend. Er hatte ein unermessliches Talent zu küssen. Er war unerträglich und trieb sie bei jeder Gelegenheit zur Weißglut. Aber langweilig wurde es mit ihm bestimmt nicht.
Der Kuss …
Ach, der Gedanke war einfach zu gefährlich! Es war nur allzu wahrscheinlich, dass er ihr das Herz brechen würde. Irgendwann war er sie bestimmt leid und würde sich anderen Frauen zuwenden. Und das würde sich anfühlen, als hätte sie Somerset ein zweites Mal geheiratet.
Sie konnte sich einfach keine glückliche Ehe mit ihm vorstellen. Doch die Alternative wirkte auch eher düster. Sophie würde selbstverständlich für sie sorgen, aber sie wollte nicht die arme, arme Julianna sein, die für den Rest ihrer Tage auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen war.
Nach dem Niedergang ihrer ersten Ehe hatte Julianna begonnen, sich dem Schreiben zu widmen. Sie schrieb für Geld. Sie schrieb für ihre Selbstachtung. Sie schrieb, um das Dach über ihrem Kopf zu finanzieren, um ihren Bauch zu füllen und ihre Seele zu wärmen. Sie schrieb, weil sie damit auch für die Unbesonnenheit ihres verstorbenen Mannes bezahlte. Sie schrieb, weil sie nie wieder von jemandem abhängig sein wollte.
Sie wollte die Lady mit Klasse bei der London Weekly sein. Aber musste sie erst Lady Roxbury werden, um diese Stellung zurückzuerlangen?
Teil 2
Die Frau des Gentlemans
Kapitel 30
Kirche St. Bride’s
Als Julianna das erste Mal heiratete, tat sie es aus Liebe. Beim zweiten Mal heiratete sie wegen des Geldes, für ihre eigene Sicherheit und in dem verzweifelten Versuch, ihren beschädigten Ruf wiederherzustellen. Kurz: Sie tat es aus all den guten Gründen, die man in ihren Kreisen anführte, um eine Ehe einzugehen. Es stand nicht völlig hoffnungslos um sie, als sie Roxbury das Jawort versprach, aber sie war auch nicht gerade optimistisch.
»Bist du dir auch sicher?«, hatte Sophie gefragt. Sie warteten in der kleinen Sakristei direkt neben dem Kirchenschiff von St. Bride’s. Julianna hatte ein Kleid in Taubengrau tragen wollen. Aber Sophie hatte es ihr ausgeredet. Wenn das junge Paar sich als Liebespaar präsentierte, argumentierte sie
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