Rivalen der Liebe
ganz richtig, waren die Chancen größer, recht bald wieder in der Gesellschaft willkommen geheißen zu werden.
Daher trug Julianna ein cremegelbes Seidenkleid von Madame Auteuil. Es betonte ihre kastanienroten Haare und die grünen Augen recht hübsch, fand sie. Ihre Haube war mit einem weißen Spitzenschleier besetzt, der im krassen Gegensatz zu jenem schwarzen Netzschleier stand, der ihr Gesicht an jenem Abend im Drury Lane verhüllt hatte, als das ganze Debakel seinen Anfang genommen hatte.
»Natürlich bin ich mir nicht sicher«, antwortete Julianne in ihrer gewohnt direkten Art. Wie um alles in der Welt konnte sie sicher sein, dass sie einen Mann heiraten wollte, dessen einziges Streben es schon immer gewesen war, als reicher Junggeselle zu leben und zu sterben?
»Du brauchst das aber nicht bis zum bitteren Ende durchleiden, falls es nicht funktionieren sollte mit euch. Du bist uns jederzeit willkommen«, bot Sophie an. »Gott weiß, wir haben mehr als genug Platz.«
Die beiden Freundinnen lächelten einander flüchtig an. Hamilton House hatte ungefähr die Größe eines kleinen Dorfs.
»Ich danke dir«, hatte Julianna geantwortet. Das Wissen, stets einen Zufluchtsort zu haben, bedeutete ihr wirklich viel. Aber Julianna war eine Frau, die keine Herausforderung scheute. Sie war mit siebzehn durchgebrannt. Sie war nach London gezogen. Sie war in London geblieben, hatte allein gelebt und geschrieben. Auf keinen Fall würde sie auf das Angebot ihrer Freundin zurückkommen, bei ihr einzuziehen. Sophie verdiente ein eigenes Zuhause mit ihrem Mann und ihrer Familie und ohne die verwitwete, mittellose Freundin, die durch die endlosen Marmorkorridore geisterte und an gebrochenem Herzen litt.
»Außerdem habe ich als Roxburys Frau großartige Möglichkeiten, ihn bereuen zu lassen, dass er mein Leben zerstört hat«, fuhr Julianna mit einem neckischen Augenzwinkern fort.
»Oder er wird bereuen, dein Leben gerettet zu haben?«, meinte Sophie und hob fragend eine Augenbraue.
»Er gewinnt damit ja auch etwas«, fügte Julianna hinzu. Sie strich über ihren Rock und rückte den Schleier gerade.
»Ja. Dich!«
»Unter anderem, genau«, sagte sie. »Aber vergiss das Wichtigste nicht: Er behält sein Geld und kann den Gerüchten über seine sexuellen Präferenzen ein für alle Male einen Riegel vorschieben.«
Und ich bekomme meinen guten Ruf zurück und hätte eine gewisse Sicherheit, bis ich wieder meine Kolumne schreiben darf , fügte Julianna im Geheimen noch hinzu.
Letztlich war dieser letztgenannte Grund auch ausschlaggebend gewesen, weshalb sie seine Bitte positiv beschied.
»Also gut, ich nehme an.« Das waren ihre Worte gewesen. Das war nämlich der beste Weg, um das zurückzubekommen, was sie wirklich wollte: ihre Kolumne und das Gefühl der Unabhängigkeit, nach dem sie sich so sehr sehnte.
»Roxbury ist gar kein so schlechter Kerl. Und er ist nicht wie Somerset«, sagte Sophie.
»Woher willst du denn wissen, ob es nicht genauso laufen wird wie beim ersten Mal?«, fragte Julianna.
Sophie brauchte sie nichts zu erklären. Sie wusste, was es bedeutete, wenn man von dem Menschen, den man liebt, im Stich gelassen wird. Sie hatte den Mittelgang der Kirche entlangschreiten müssen, ehe sie diesen Schmerz erlitt.
»Das sind zwei grundverschiedene Männer, und du bist nicht mehr das Mädchen, das du noch mit siebzehn warst. Und wenn mein so guter und anständiger Mann mit Roxbury seit über einem Jahrzehnt befreundet ist, kann dein Bräutigam gar nicht so ein unverbesserlicher Mistkerl sein.«
»Wir gehen eine Vernunftehe ein. Solange ich mir das nur immer wieder einrede und mein Herz sich ihm nicht hingibt, kann doch gar nichts schiefgehen«, verkündete Julianna überzeugt.
Wie erwartet, brach Sophie in lautes Gelächter aus.
»Du scheinst ja gar nicht an deiner sonst so üblichen vorhochzeitlichen Zittrigkeit zu leiden«, bemerkte Julianna im verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln.
Sophie war damals am Altar sitzengelassen worden, und danach war sie die Autorin von Miss Harlows Hochzeiten der Gesellschaft bei der Weekly geworden. Hochzeiten hatten sie immer sehr nervös und geradezu krank gemacht. Die Sache hatte sich aber deutlich gebessert, seit sie den Duke of Hamilton and Brandon geheiratet hatte.
»Überraschenderweise fühle ich mich richtig gut. Das muss ein gutes Zeichen sein«, sagte Sophie. Sie drückte ein letztes Mal Juliannas Hand, ehe sie sie allein ließ und zu den anderen Gästen
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